JAGD AUF BIN LADEN
Von Alexandra Seibel
Am Anfang bleibt die Leinwand schwarz. Anstelle eines Bildes hört man nur Schreie von Menschen in Todesangst eindeutig Opfer der Terroranschläge vom 11. September. Dann die ersten Filmbilder, direkt aus einem Geheimgefängnis des CIA. Dort werden enhanced interrogation techniques praktiziert, sprich: Es wird gefoltert. In der Mitte des Raums ist ein Terrorverdächtiger aufgespannt, dessen Körper von einem eigentlich sympathisch wirkenden CIA-Agenten malträtiert wird. Mit Schlägen, Waterboarding einer schönen Umschreibung für ein Nahtoderlebnis durch simuliertes Ertrinken , Schlafentzug, sexueller Demütigung und durch das Hineinzwingen des Mannes in eine unfassbar winzige Kiste. Du gehörst mir, sagt der freundliche Folterknecht: Ich werde dir wehtun.
Knapp zwanzig Minuten von insgesamt 157 halten diese Verhör-Szenen an. Doch wie eine Depression legt sich das Elend der Folter über den Rest eines Films, der zehn Jahre später mit der Tötung von Osama bin Laden enden wird.
Kritiker haben Kathryn Bigelow und ihrem Drehbuchautor Mark Boal vorgeworfen, ihr Film erzähle, dass Bin Laden mithilfe von Folter gefunden wurde. Tatsächlich gibt es diesen klaren Zusammenhang nicht. Es sind viele kleine Hinweise, die das große Bild ergeben. Auch Bigelow vorzuhalten, sie würde Folter befürworten, ist Unsinn, hat aber innerhalb Hollywoods bereits zu Aufrufen geführt, den fünffach Oscar-nominierten Film zu boykottieren.
Wahr ist, dass Bigelow nicht mit erhobenem moralischen Zeigefinger erzählt, sondern mit nüchterner Präzision von der Arbeit eines Apparates berichtet in diesem Fall des CIA. Kühl und distanziert zeichnet sie die Routinen bis zur Folter einer bürokratischen Organisation nach. Dabei erzählt sie aber nicht nur von der Effizienz dieses Apparates, sondern auch von der moralischen Aushöhlung seiner Beamten.
In Zentrum der Bin-Laden-Jagd steht eine zarte Frau namens Maya, gespielt von einer eisernen Jessica Chastain. Anfangs muss sich Maya angesichts der Verhörmethoden noch übergeben, aber bald hat sie sich adjustiert. Mit ihrem Fanatismus steht sie ihren Al-Kaida-Gegnern um nichts nach.
Viel Zeit wird in hässlichen Büros mit unergiebigen Nachforschungen und einem Boss verbracht, der sagt: Bringt mir jemanden, den ich töten kann. Und obwohl Maya die Hauptfigur ist, wird sie nicht zur Identifikationsfigur. Sie hat kein Privatleben, keine Freunde und auch sonst kaum nachvollziehbare Emotionen. Genau dieser Verzicht auf Liebesgeschichten oder Action macht Zero Dark Thirty zu einem fast abstrakten, manchmal anstrengenden, immer aber herausfordernden Filmerlebnis im besten Sinn.
Gerade zum Ende hin spitzt sich die Meisterlichkeit von Bigelows Thriller-Kunst nochmals zu. Mit Handkamera und in den grünlichen Bildern eines Nachtsichtgeräts folgt Bigelow den Navy-SEALs bei ihrem Einsatz in Abbottabad. Fast ton- und reibungslos dringen die Soldaten in Bin Ladens Haus ein. Lautlos öffnen sie Türen, erschießen Männer und Frauen, drängen Kinder ins Eck und entsorgen schließlich den Terror-Chef in einem Leichensack.
Die Militär-Operation verläuft fast perfekt, Maya befindet sich auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Doch kein Triumphgefühl will sich einstellen, nur eine einsame Träne rinnt aus Mayas Auge.
Zurück bleiben Leere und die Frage, ob dieser Sieg seinen Preis wert war. Denn Kathryn Bigelows Film sagt nicht, du sollst nicht foltern. Er sagt, wer foltert, verliert seine Seele.