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Interview zu "Future Baby": (Un)fruchtbare Zukunft mit Leihmüttern und künstlichen Bäuchen

film.at: Ihr erster Film „Angst hab ich keine, aber leid tu‘ ich mir jetzt schon“ (1998) kreiste bereits um das Thema ‚Haus-Geburt‘. Ist der jetzige als eine Art Fortsetzung oder Gegenentwurf zu verstehen?

Maria Arlamovsky: Was sich seit damals getan hat, ist immens. Wenn man heute Hausgeburt sagt, glauben viele, man ist verrückt und dass das gefährlich ist. Inzwischen ist die Medizin an einem ganz anderen Punkt angelangt, und „Future Baby“ stellt in diesem Sinn sicher einen Gegenentwurf zum früheren Film dar.

War bereits damals in den späten 90er Jahren die nun aufgezeigte Entwicklung absehbar? Hat sich abgezeichnet, dass eine regelrechte Fortpflanzungsindustrie entstehen würde?

Als das erste Retortenbaby, die berühmte Louise Brown, 1978 geboren wurde, hat das noch niemand so richtig ernstgenommen. Aber als dann 2010 der Nobelpreis für diese Entwicklung verliehen wurde und die Entschlüsselung des Genoms noch dazu kam, war plötzlich klar, dass hier ganz neue Dimensionen eröffnet werden. Heute spricht man von 5 Millionen Kindern weltweit die bereits ohne Sex gezeugt wurden. Daran kann man also auch den Bedarf ablesen.

Sind die historischen Strukturen von Vater-Mutter-Kind heutzutage überholt? Sind wir bei einem neuen Kapitel der Evolution angelangt?

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Willkommen im 21. Jahrhundert! Ich denke, dass diese Trias in Wahrheit schon länger obsolet ist. Wir haben uns im letzten Jahrhundert schon ausgiebig mit Patchwork-Familien auseinandergesetzt. In Zukunft werden wir neue Rollennamen benötigen, weil das Repertoire erweitert wird. Es wird beispielsweise genetische Mütter und soziale Mütter geben, sowie Bäuche, die man mieten kann. All das kommt mehr oder weniger massiv auf uns zu und wir dürfen davor nicht die Augen verschließen, denn es passiert ja bereits.

Was halten Sie von der Idee, schon im jungen Alter eigene Eizellen einfrieren zu lassen?

Das ist ein Riesenthema. Meine älteste Tochter ist 21 Jahre jung und ich habe mich bei den Dreharbeiten öfter gefragt, ob ich jetzt ernsthaft überlegen muss, ihr nach dem Studium eine Eizellen-Konservierung zu finanzieren. Ein gruseliger Gedanke. Ich glaube – und das haben mir sehr viele Mediziner bestätigt –, dass es bisher nur darum gegangen ist, unfruchtbaren Frauen mittels In-Vitro-Fertilisation (IVF) zu helfen. Aufgrund zahlreicher Umweltfaktoren werden ja tatsächlich immer mehr Leute unfruchtbar. Nun gibt es dieses Angebot, dem entgegenwirken zu können. Wenn aber die Eizellen nun mal nicht mehr da sind, kam die Möglichkeit dazu mit Spender Eizellen wenigstens eine Schwangerschaft zu erleben. Um aber mit seinen eigenen Eizellen Kinder machen zu können, geht man jetzt verstärkt dazu über, jungen Frauen einzutrichtern, ihre Eizellen einfrieren zu lassen. Diese vermeintliche Versicherung, eröffnet in meinen Augen einen noch größeren Markt und man hat das ideale, wirklich lukrative Geschäftsmodell gefunden. Es gibt aber mehrere Statistiken die besagen, dass nur eine 13prozentige Wahrscheinlichkeit besteht, dass aus den eingefrorenen Eizellen tatsächlich Kinder entstehen. Warum fordern junge Frauen stattdessen nicht lieber von Arbeitgebern oder Politikern: „Schafft mir Lebensbedingungen, in denen ich Lust habe, mich zu vermehren und nicht mehr unter jenem sozialen Druck stehe, der mir die Befriedigung des Kinderwunsches erst in höherem Alter erlaubt.“

Vor der Abnahme von Eizellen müssen sich Frauen einer körperlich anstrengenden Hormontherapie unterziehen, was sagen Sie dazu?

Es gibt zwar Kliniken, die auf diese Therapien verzichten und monatlich eine Eizelle abnehmen, jedoch schmälert das die Chance auf Erfolg um ein Vielfaches, deswegen werden eben diese Hormontherapien gemacht, die zu einer Überproduktion von Eizellen führen. Hier kann das oft unterschlagene aber sehr gefährliche „ovarielle Hyperstimulationssyndrom“ auftreten, das durch die zugeführte hormonelle Überdosierung ausgelöst wird und im Extremfall sogar zum Tod führt. Man weiß auch noch nicht, welche Langzeitfolgen dadurch entstehen können. Es ist also noch immer ein sehr kontroverses und diskussionswürdiges Thema. Zumal immer die Frage im Raum steht, wie gut die Eizellspenderinnen über die Risiken aufgeklärt werden.

Glauben Sie, Leihmütter schaffen es tatsächlich, sich über neun Monate hinweg so wenig an das von ihnen ausgetragene Kind zu binden, dass es kein Problem für sie darstellt, dieses nach der Geburt abzugeben?

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Es gibt zwei Perspektiven: Einerseits die des Kindes, das neun Monate im Leib einer Person heranwächst und diese als ersten Bezug erlebt. Aus der Kinderperspektive passiert dann nach der Geburt also etwas, das man in der Forschung als Bindungsabbruch beziehungsweise als Trauma bezeichnet. Das wird meiner Meinung nach zu wenig diskutiert. Aus der Leihmutter-Perspektive gilt es eine Unterscheidung zu machen, zwischen jenen knapp zehn Prozent, die ihre eigenen Eizellen zur Verfügung stellen und jenen, die fremde befruchtete Eizellen in sich austragen. Leihmütter, die das in den meisten Fällen des Geldes wegen machen, versuchen natürlich, so wenig Bindung wie möglich zu dem Kind aufzubauen. Wenn sie psychologisch betreut werden, vermittelt man ihnen: „Das ist nicht euer Kind – das sind nicht eure Gene!“. Viele der Leihmütter sagen dann – z.B.: „Ich bin nur wie ein Ofen oder ein Storch, ich borge meinen Bauch nur her“ -, mit diesen Bildern überzeugen sie sich, dass die Distanz in Ordnung ist. Stattdessen malen sie sich aus, was sie mit dem zu erwartende Geld machen werden. Meistens hört man dann: „Ich habe eine Chance damit meinen eigenen Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen.“

Woher nimmt man das Vertrauen in eine Leihmutter? In Wahrheit kann doch niemand verfolgen, inwiefern diese Leihmutter verantwortungsbewusst mit meinem Kind umgeht.

Diese Frauen werden von den Leuten, die das alles organisieren, meist sehr streng kontrolliert. Es gibt sogar sogenannte „In-housing-Projekte“, bei denen die Schwangeren über mindestens neun Monate hinweg intensiv betreut werden. In anderen Fällen, z.B. in Mexiko, wo wir gedreht haben, sucht man Frauen in prekären Situationen aus der Umgebung und schickt Personen zu ihnen die sie immer wieder kontrollieren.

Treten manchmal vielleicht Fälle auf, bei denen die Leihmütter sich absetzen, um die Kinder selbst behalten zu können?

Ja, das kommt immer wieder vor, wurde aber von mir im Film nicht thematisiert, da das wiederum eigene Geschichten sind. Die Leihmütter mit denen wir in Mexiko gesprochen haben, hatten eher Angst, dass sie auf dem Kind sitzen bleiben könnten – wenn es sich die bestellenden Eltern anders überlegen. Ein anderes Problem ist, dass in der Regel mehrere Embryonen eingesetzt werden, um die Chancen einer Schwangerschaft zu erhöhen. Gelegentlich passiert es, dass Drillinge heranwachsen und die Auftraggeber wollen, dass dann ein oder zwei Abtreibungen durchgeführt werden, was immer wieder den Widerstand der Leihmütter hervorruft und womöglich zu Gerichtsprozessen führt.

War es schwierig, die Fachkräfte und Privatpersonen (Eizellenspenderinnen, Leihmütter) vor die Kamera zu bekommen? Haben einige Personen auch abgelehnt, mit Ihnen über das Thema zu sprechen?

Viele Labore machen das durchaus bereitwillig, da sie den Film als Plattform betrachten, um vorzuführen, was bei ihnen bereits möglich ist und welche Fortschritte sie bisher erzielt haben. Etwas, das wir letztlich nicht erreicht haben, war, einen aktiven Samenspender ausfindig zu machen, weil die interessanterweise extrem geschützt werden. Es war also möglich, von Kliniken Eizellspenderinnen vermittelt zu bekommen, die vogelperspektivisch während dem medizinischen Eingriff der Eizellen-Abnahme gefilmt wurden, aber wir haben es, trotz großer Bemühungen, nicht geschafft, mit einem aktiven Sperma-Spender einer Samenbank zu sprechen.

Woran liegt das?

Da der Spendenvorgang, also das Onanieren, in diesem Fall etwas darstellt, das mit Vergnügen assoziiert werden kann, was nach wie vor auch so einen perversen Touch hat, also kein medizinischer Eingriff ist und dadurch die Intimität der Spender verletzt würde – deswegen schützen die Samenbanken ihre Spender.

Der Mitschnitt von Telefonaten musste doch sicher auch rechtlich abgeklärt werden. In Ihrem Film hört man in einer Szene, wie sich ein Agentur-Kunde eine Spenderin nach dem Versand-Katalog-Prinzip aussucht…

Wir haben natürlich alle Rechte der beteiligten Personen eingeholt. Die besagte Szene haben wir in San Diego gefilmt und in Amerika ist so ein Auswahlprozess derart normal, dass sich die Menschen nicht einmal mehr die Frage stellen, ob das merkwürdig erscheinen könnte.

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Glauben Sie, dass das Austragen von Kindern in künstlichen Gebäranlagen der Gleichberechtigung von Mann und Frau tatsächlich auf eine neue Ebene verhelfen könnte? In Ihrem Film lassen Sie eine Bioethikerin zu Wort kommen, die diesen Gedanken einbringt.

Also abgesehen davon, dass das für Kinder eine Katastrohe wäre und es noch lange nicht so weit sein wird, finde ich, dass es ein total spannendes Gedankenexperiment ist. Anfänglich war ich sehr schockiert und dachte, was das für eine absurde Idee ist, Kinder in Inkubatoren wachsen zu lassen. Ein unheimlicher Einfall. Eine Schwangerschaft wird aus medizinischer Sicht ja mehr oder weniger als Risiko eingestuft. Wenn es also einen wissenschaftlichen Weg gibt, die Kontrolle zu übernehmen, verspricht das eine vermeintliche Sicherheit, was natürlich etwas für die Medizin sehr verlockendes ist. Einer der Hauptgründe für meinen Film ist die Tatsache, dass bio-medizinischer Fortschritt unweigerlich und sehr schnell passiert, aber dass wir uns wenig damit auseinandersetzen, vermutlich auch aufgrund des Tempos der wissenschaftlichen Errungenschaften. Wir gewöhnen uns zwar mit der Zeit an Veränderungen, aber schieben die Fragen, die sich dabei auftun, in den Hintergrund. Wir sollten zB. Diskurse darüber führen, ob eine künstliche Gebärmutter eine Lösung wäre, zB. um das Leihmutter-Problem abzuschaffen. Oder ob Mann und Frau dadurch tatsächlich gleichberechtigter werden könnten – egal wie durchgeknallt diese Gedankenexperimente auch sein mögen. Wir sollten als Gesellschaft nicht dem Fortschritt zu weit hinterher hinken.

Können Sie erläutern, wo das Problem bei der Verwertung von Samen bzw. Eizellen bereits verstorbener Spender liegt? Das Resultat bleibt doch das Gleiche, denn für die Kinder besteht so oder so nicht die Möglichkeit, mit den Spendern in Kontakt zu treten.

Der Kontakt sollte eben nicht verwehrt sein. Diverse Studien belegen, wie unglaublich wichtig es ist, sich mit der eigenen Abstammung konfrontieren zu können. Es muss letztendlich ein Recht der Kinder auf dieses Wissen um Herkunft geben. Wenn es nach mir ginge, müsste in jeder Geburtsurkunde drinnen stehen, wie man entstanden ist.

Gerade das Verschweigen der Herkunft könnte ja weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen: etwa wenn A Samen spendet, um sein Studium zu finanzieren und sich dann 20 Jahre später unwissentlich in seine eigene Tochter verliebt…

Es gibt zB. das „Donor Sibling Registry“, deren Betreiber auch dieses Argument anführen, um die Unhaltbarkeit der Anonymität zu beweisen. Es dürfte nicht möglich sein, dass ein Spender im Endeffekt dann zum Vater von 500 Kindern wird. Mehr als fünf bis sieben Kinder pro Spender sollten nicht erlaubt werden. Es gibt aber leider zu wenig politischen Druck, um dieses Ziel zu erreichen. Selbst in Österreich hat sich die Führung eines nationalen Spenderregisters nicht durchsetzen können - das käme laut Ansicht der Politiker zu teuer.

Hatten Sie bei den Dreharbeiten manchmal das Gefühl, in Dr. Frankesteins Labor geraten zu sein?

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Natürlich ist das Ganze sehr skurril; allerdings habe ich darauf geachtet, mich zurückzunehmen und offen für das zu sein, was mir begegnet ist.

Sie haben sich also als Dokumentarfilmerin begreiflicherweise um Objektivität bemüht. Wie ist hingegen ihre subjektive Meinung zu dem Thema?

Mit „objektiv“ fange ich mal gar nichts an! Ich glaube, kein Film der Welt ist objektiv, denn es gibt immer jemanden, der diesen Film unter bestimmtem Blickwinkel gedreht und geschnitten hat. Objektivität ist eine Illusion. Ich habe versucht, mich so weit wie möglich auszublenden, weil ich zeigen wollte, wie die unterschiedlichen Standpunkte der diversen Player in diesem Spiel aussehen. Es sollte deutlich werden, wie die Argumente der vielen beteiligten Gruppen ineinandergreifen und das eine das andere nach sich zieht und einen Dominoeffekt auslöst. Wenn ich sage, ich soll heute Eizellen einfrieren, dann werde ich eben einmal in der Petrischale meine Kinder zusammenbasteln müssen und dann ist der nächste kleine Schritt, dass ich die Zellen auch einer Gendiagnose unterziehe und mir die vielversprechendsten aussuche. Das sind auf den ersten Blick lauter kleine banale Schritte, die aber weitreichende Konsequenzen haben werden. Ich wollte auf keinen Fall, dass die Leute ins Kino gehen, um durch den Film geführt und dann zuletzt mit meiner Meinung entlassen zu werden. Ich erhoffe mir ein mündiges Publikum: mein Film soll zu Diskussionen anregen – je kontroversieller die ausfallen, desto besser.

Das Intervie führten Katrin P. Fröstl und Franco Schedl

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