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Interview mit Christion Petzold zu seinem neuen Film "Transit"

Christian Petzolds achter Kinospielfilm feierte seine Premiere im Wettbewerb der Berlinale. Das gespenstische Drama rund um einen jungen Mann in Marseille, der versucht, vor den Nazis nach Mexiko zu fliehen, verzichtet auf historische Kulissen und findet im heutigen Frankreich statt. Wir haben uns mit dem Filmemacher getroffen und mit ihm über die Entstehung von "Transit" gesprochen.

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Wie kamen Sie auf die Idee, einen Roman, der 1941 spielt, in die heutige Zeit zu versetzen?

Aus Langeweile über den ersten Entwurf, der historisch war. Ich habe keine Lust auf Vergangenheitsrekonstruktion oder Reenactment. Ich erinnerte mich an zwei Filme, die ich gesehen hatte, der eine war von Robert Altman „The Long Goodbye“, die Verfilmung des schönsten Romans von Raymond Chandler, der in derselben Zeit spielt wie „ Transit“. Er hat den Detektiv in 1941 belassen, gleichzeitig spielt die Geschichte im Los Angeles von heute. Was aussieht wie ein Brechtscher Verfremdungseffekt führt dazu, dass wir die Zeiten miteinander vergleichen. Der andere Film war einer  von Chantal Akerman, der 1967 in Brüssel spielte, aber den sie heute gedreht hatte. Nach der Erinnerung an diese beiden Filme dachte ich mir, dass es  funktionieren wird die Vergangenheit in der Gegenwart zu filmen. Es kommt zu einem Spiegeleffekt, der die Vergangenheit nicht zu etwas Musealem macht, sondern die Gegenwart befragt.

Wie schwer war es die richtigen Kostüme zu finden und den richtigen Rahmen für die Geschichte abzustecken? Sie hätten ja aus dem Buch auch einen Internet-Thriller machen können.

Mir war klar, wir brauchen 24 Stunden der konzentrierten Überlegung mit dem Kostümdepartment. Wir mussten Kleidung finden, die klassisch ist, ein weißes Hemd, eine schwarze Hose oder ein schwarzer Mantel von Burberry, den es heute wieder gibt. Wir wollten keine Retrokleidung sondern klassische Kleidung. Ich entschied mich auch gegen Smartphones, weil sie Filme furchtbar altern lassen. Mein Sohn hat mir einmal gesagt, dass ein Film, in dem ein Iphone 4 auftaucht, für ihn älter ist als einer, in dem Belmondo eine Münze in ein Münztelefon wirft.

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Ihr Film spielt mit verschiedenen Genreelementen. Es gibt die Femme fatale, die Erzählerstimme und einen Thrillerplot. War das von Anfang an so geplant?

Es war nicht im vorhinein geplant, es schleichen sich in Planungen manchmal Dinge ein, die nachher passen, obwohl sie nicht von vornhinein so geplant waren. Die Femme fatale war schon im Roman von Anna Seghers, Paula Beer hat angemerkt, dass die Figur der Marie im Roman eine Männerfantasie ist, sie aber einen Körper hat, riecht, schmeckt, berührt und warm ist. Sie  hat noch an der Figur gearbeitet, damit sie nicht nur ein Geist ist.

Woher kam die Idee, „Transit" zu verfilmen?

Der Roman war immer Harun Farockis und mein Referenzroman. Im Grunde haben wir immer über zwei Hitchcock Filme („Topas“ und „Das Fenster zum Hof“) einen Truffaut -Film („Die Frau nebenan“) und  über „Transit“ gesprochen. Es ging uns immer um Dinge, die verdrängt wurden und Menschen auf der Flucht, die irgendwie versuchen, sich zu erden und so war das auch im Buch von Anna Seghers. Als wir beschlossen das Buch zu verfilmen, hatten wir beide ein ganz schlechtes Gefühl, weil wir der Meinung waren, dass man natürlich nur schlechte Romane verfilmen kann, aber „Transit“ war ja gut. Dann haben wir angefangen an einem Treatment zu schreiben, das machte Spaß, aber war noch nicht genug. Nach Haruns Tod kam mir die Idee mit der Vergegenwärtigung der Geschichte und ich habe das Projekt wieder aufgenommen. Wir haben nur die zweite Hälfte des Romans verfilmt. Ich hatte vor den Dreharbeiten fünf Jahre lang nicht mehr das Buch gelesen und hatte nach der Fertigstellung das Gefühl, dass der Film dem Roman doch sehr nahe gekommen ist. Als ich in Paris war, saß der Sohn von Anna Seghers im Publikum und hat gesagt, dass der Film seiner Mutter sehr gut gefallen hätte.

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Transit“ überzeugt vor allem auch durch einen großartigen Cast. Hatten Sie die Schauspieler schon beim Schreiben im Kopf?

Beim Schreiben hatte ich überhaupt keine Schauspieler im Kopf. Ich hatte mit Francois Ozon einen Tag an den deutschen Dialogen zu seinem Film „Frantz“ gearbeitet, da hat er mir Aufnahmen von Paula Beer gezeigt, die ich großartig fand. Die Editorin Bettina Böhler hat mir Franz Rogowski vorgestellt. Er war genau das, was ich seit Jahren suche, er hat die Grundtraurigkeit, die man als Held haben muss und er hat einen Körper. Das ist im deutschsprachigen Film nicht selbstverständlich, denn die meisten, die von Schauspielschulen kommen, haben keinen Körper mehr. Das Tolle an den beiden ist, dass sie sehr jung sind aber für manche Momente ganz alte Gesichter haben, nicht alt im Sinne von Falten, aber so, als hätten sie zu viel erfahren müssen. Die wissen schon zu viel und scheinen nicht so sozialisiert zu sein, da sind Abgründe und dann sehen sie manchmal wieder aus wie 17.

Gibt es ein neues Projekt, an dem Sie arbeiten?

Ja, eine Geschichte mit Paula Beer und Franz Rogowski. Es geht um eine junge Frau in Berlin die eine Nixe ist und Männer töten muss, die sich von ihr trennen. Franz Rogowski liebt sie und  sie möchte ihn nicht töten.