Filmkritiken

IN DER BEPELZTEN VENUSMÄNNERFALLE

Roman Polanski hat nicht etwa überraschend seine Liebe zur k.u.k.-Literatur entdeckt, sondern wurde zu seinem jüngsten Filmvorhaben durch einen Broadwayhit des Jahres 2011 inspiriert. Das Theaterstück von David Ives gefiel ihm so gut (vermutlich weil er darin reichliche Anknüpfungspunkte an viele seiner früheren Lieblingsmotive fand), dass er – zumindest für seine Verhältnisse - in Rekordzeit eine filmische Umsetzung realisieren konnte. Bereits sein vorhergehendes Werk „Der Gott des Gemetzels“ basierte ja auf einem Bühnenstück, doch diesmal ist die Ausgangssituation noch beschränkter, da bloß zwei Personen vor der Kamera agieren.

Unter Polanskis Regie bekommen wir nicht einfach ein verfilmtes Theaterstück geboten, sondern er setzt die Möglichkeiten des Kinos perfekt ein, um aus dem eng-begrenzten Setting und der reduktionistischen Personenkonstellation ein Maximum an Wirkung herauszuholen.

Ein egozentrischer Autor ( Mathieu Amalric, der auf geradezu unheimliche Weise einem rund 30 Jahre jüngeren Polanski gleicht) hat eine Bühnenfassung der berühmten erotischen Novelle von Sacher-Masoch erarbeitet und möchte als Kontrollfanatiker auch erstmals die Regie bei der Inszenierung an einem Pariser Theater übernehmen. Um die weibliche Hauptrolle zu finden, veranstaltet er ein Vorsprechen und am Ende eines langen Tages erscheint noch eine seltsame Frau in dem verlassenen Theater, die angeblich denselben Vornamen wie die Bühnenfigur Wanda trägt. Zwischen ihr und dem Regisseur entspinnt sich, erst in der Unterhaltung und dann beim Nachspielen der wichtigsten Szenen des Stückes, ein erotisch-witziges Rededuell, bei dem Realität und Traum immer mehr zu verwischen scheinen.

Emmanuelle Seigner, im wirklichen Leben mit Polanski verheiratet, verleiht dieser rätselhaften Person ein vieldeutiges Eigenleben. Erscheint sie anfänglich als absolut unbedarfte kaugummikauende Tussi, muss man diesen Eindruck durch ihr weiteres Verhalten schnell revidieren: sie versteht etwas von Bühnentechnik, hat merkwürdig authentische Requisiten bei sich, kennt den Text des Stücks offenbar komplett auswendig und zeigt ein Wissen über die Materie, das jenes des Regisseurs sogar übertrift. Sie führt den Mann lustvoll in die Irre und spielt mit ihm wie die Katze mit der Maus. Ist sie womöglich gar nicht real, sondern einer Wunschphantasie des Mannes entsprungen, oder hat sich in ihr eine überirdische Wesenheit direkt aus der antiken Mythologie manifestiert, um am Regisseur, stellvertretend für alle Sado-Machos dieser Welt, Rache zu nehmen? Immerhin besucht Venus höchstpersönlich auch den Erzähler in Sacher-Masochs Text zu Beginn im Traum.

9 von 10 aufpeitschenden Filmlustschreien

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