Die Qual mit dem Wal
Von Alexandra Seibel
Regisseur Ron Howard kann mehr sein als nur solider Hollywood-Routinier. Das bewies er zuletzt mit dem zügigen Formel-1-Drama "Rush" rund um Niki Lauda. Doch bereits bei seinem neuen "Boat-Buster", einem Walfischabenteuer auf den Spuren von Moby Dick, erweist er sich wieder als Fadisierer. Nicht den berühmten Roman hat Howard verfilmt, sondern jene historischen Ereignisse, die Herman Melville zu seinem Klassiker inspirierten. "Moby Dick", der 1851 erschien, muss erst geschrieben werden.
Doch die spannende Vorgeschichte zum Mythos des weißen Wals verdünnt sich bei Howard zum konventionellen Seemannsgarn.
Zuerst wird viel Whiskey getrunken: Der zarte Ben Wishaw als Schriftsteller Melville sucht den letzten Überlebenden der Besatzung des Walfangschiffes " Essex" auf. Von ihm möchte er von den grässlichen Begegnungen mit dem legendären Dämonenwal erfahren, die damals die Runde machten.
Es dauert, ehe der Mann (ein wehleidiger Brendan Gleeson) mit der ganzen Wahrheit herausrückt und in Rückblenden von den Walfangfahrten und schließlich dem fatalen Zweikampf mit dem Riesenwal erzählt.
Howard setzt auf Genre-übliche Schauwerte: Gewaltige Stürme, splitternde Schiffsmaste und Wellen, die beeindruckend hoch steigen. Doch keine Sekunde hat man das Gefühl, sich auf offener See und nicht im Computer zu befinden. Guckkasten in 3-D anstelle epischer Breite.
Der weiße Wal selbst macht es wie Spielbergs weißer Hai: Er lässt sich lange nicht blicken oder nur in kleinen Portionen. Wenn endlich seine gebieterische Schwanzflosse auftaucht und wuchtig das Meer zerteilt, hat man sich seinen Anblick redlich verdient.
Allerdings steht kein monomanischer Kapitän Ahab am Ruder der "Essex" und schwört dem Killerfisch ewige Rache, sondern ein reicher Schnösel. Angeberisch kommandiert er die Mannschaft herum und liefert sich mit seinem ersten Offizier einem grimmigen Chris Hemsworth klassenkämpferisches Hickhack.
Nun macht es Ron Howard Ehre, auch unheroische Momente des Walabenteuers in zäher Ausführlichkeit erzählen zu wollen. Er habe eine Art historische Doku angestrebt, beteuerte er in Interviews. Wie Angelina Jolie in "Unbroken", lässt auch er die Besatzung monatelang hilflos auf offener See treiben, nachdem der Wal das Schiff versenkt hat. Die Lage spitzt sich zu, der Proviant ist aufgebraucht, Menschenfleisch steht auf dem Speiseplan. Selbst der sonst so schöne Chris Hemsworth verschwindet langsam hinter einem langen Zottelbart.
Tatsächlich aber nehmen diese langatmigen Szenen der ohnehin schon schwachen Handlungsdynamik den letzten Wind aus den Segeln. Zumal sich trotz Detailtreue keine rechte Emphase für das Schicksal der nur flüchtig skizzierten Männer einstellen will. Im Gegenteil: Man freut sich geradezu, wenn endlich wieder der Wal auftaucht und mit seiner Flosse Schwung in die lahme Handlung bringt.
Von archetypischen Gefühlen oder gar einem monumentalen Zweikampf zwischen Mensch und Natur keine Rede. Dazu brauchte es schon eines Herman Melville, um aus der Walfisch-Anekdote Weltliteratur wie "Moby Dick" zu machen: "Nennt mich Ismael."
Aber nicht Ron Howard.
KURIER-Wertung: **1/2