Filmkritiken

HORIZONTALE AUFSTIEGS-CHANCEN

Robert Pattinson ist kein blut(gier)iger Anfänger mehr und versucht daher das „Twilight“ hinter sich zu lassen. Nun gilt es zu beweisen, dass er, nach Verlust von blasser Haut und spitzen Zähnen, auch das Zeug zum literarisch verbürgten großen Verführer hat und Frauen aller Altersstufen bezaubern kann.

Der mittellose ehemalige Unteroffizier Georges Duroy erhält im Paris des Jahres 1890 durch seinen früheren Kameraden Forestier eine Anstellung als Journalist, macht aber vor allem dessen Ehefrau Madeleine ( Uma Thurman) schöne Augen, die er nach dem frühen Tod seines höchst unwilligen Gönners auch heiratet. Doch damit nicht genug, nutzt der junge Emporkömmling skrupellos jede Chance, einen unaufhaltsamen gesellschaftlichen Aufstieg durch die Herzen und Betten diverser einflussreicher Damen anzutreten.

Während sich Guy de Maupassants Sittenbild der Belle Époque vor allem durch beißende Ironie auszeichnet, setzen die beiden Briten Declan Donnellan und Nick Ormerod in ihrem ersten Langfilm eher auf passende Kleidung, stimmige Dekorationen und selbstverständlich große Gefühle – letztere vermitteln uns drei erstklassige Hauptdarstellerinnen.

Besonders Uma Thurman versteht ihrer Rolle jede Menge gelungener Momente abzugewinnen: wie eine halbe Amazone dirigiert sie insgeheim das geistig-politische Pariser Tagesgeschehen und diktiert dem Bel Ami nicht nur wichtige Leitartikel in die Feder, sondern versorgt ihn auch sonst mit entscheidenden Ratschlägen, um sich in dem gefinkelten Treiben der Großstadt durchzusetzen. Einerseits treibt sie somit ein ziemlich undurchsichtiges intrigenreiches Spiel und scheint allen haushoch überlegen, andererseits offenbart sie jedoch in einer großen Trauerszene unerwartete Verletzlichkeit. Kristin Scott Thomas zeichnet das berührende Charakterbild einer alternden Frau, die an einer unglücklichen Liebe zerbricht; und auch Christina Ricci stellt weit mehr als nur ein hübsches Betthupferl dar.

Und wie kommt Pattinson in dieser starken Frauenrunde zurecht? Er hat sich nicht nur erneut als knutschtestfest erwiesen, sondern vollzieht eine durchaus glaubwürdige Wandlung vom verlotterten armen Schlucker zum geschniegelten Alt-Pariser Hahn im Korb und bereichert sein bisher praktiziertes Minenspiel um einige Nuancen. Es ist zudem absolut nicht unglaubwürdig, dass die gelangweilten reichen Damen dem tapsig-unbeholfenen Charme des gesellschaftlichen Neulings verfallen. Doch Vorsicht: Manchem Teenager-Herzen wird es vielleicht einen Stich versetzen, wenn er gleich zu Beginn unter vollem körperlichen Einsatz (und unter full backward nudity) mit einer Prostituierten das Bett teilt.

Jedenfalls kann mich auch eine mitunter etwas stark geraffte Handlung nicht davon abhalten, dem Werk 8 verheißungsvoll geraffte Reifröcke zuzuerkennen.

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