Filmkritiken

"High Society": Wohlstandsgöre im Plattenbau

Wofür das alte Hollywood noch zwei separate Filme gebraucht hat, bekommen wir hier in einem einzigen geboten, wenn im Deutschland der Gegenwart die Oberen auf die Unteren Zehntausend treffen. Der Grund für diese unerwartete Kontaktaufnahme ergibt sich aus einer lange zurückliegenden Babyvertauschung im Krankenhaus. Fünfundzwanzig Jahre später fällt die Schickimicki-Göre Anabel von Schlacht (Emilia Schüle) aus allen Wolken, als sie erfährt, dass ihre leibliche Mutter im Plattenbau wohnt, während für die gleichaltrige Aura Schlonz (Caro Cult) dasselbe - nur mit umgekehrten Vorzeichen - gilt, denn die darf ab sofort im Luxusanwesen der superreichen Industriellenfamilie von Schlacht einziehen.

Angesagte Jungstars

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Weil ihre bisherige vermeintliche Mutter alle Aufmerksamkeit nur noch der neu gefundenen Tochter schenkt, sucht Anabel erstens wutentbrannt das Weite und zweitens ihre wahre Mama. Dadurch gerät das verwöhnte Wesen auf die schiefe Bahn des sozialen Gefälles und findet sich in einem Großstadtghetto aus Sozialbauten wieder (in der viel zu kleinen Wohnung hängt skurriler Weise auch Manuel Rubey als frühpensionierter Untermieter rum). Fortan muss sie das Leben ohne Kreditkarte erst mühsam einüben und sich einen Job suchen.

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Auf die Unterstützung der hirnlosen Wohlstands-Wesen, die sie bisher für ihre Freundinnen gehalten hat, kann sie dabei natürlich nicht zählen; dafür kommt sie aber einem junge Polizisten ( Jannis Niewöhner) näher. Der Cast aus angesagten Jungstars (die meisten von ihnen waren erst kürzlich in „Jugend ohne Gott“ zu sehen) wird durch zwei erfahrene Frauen ergänzt: Katja Riemann beweist als beherzte Aktivistin und Prolo-Mutter Mut zur Hässlichkeit, während Iris Berben als ihr furchtbar überspanntes Gegenstück eher die nervige Zicke hervorkehrt.

Ein deutscher Mr. Grey

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Eine beißende Satire, die auf genauer Beobachtung des jeweiligen Milieus beruht, darf man sich nicht erwarten. Stattdessen will Regisseurin Anika Decker lieber unbedingt noch eine halbherzige Parodie auf „Fifty Shades of Grey“ unterbringen und lässt Anabel eine deutsche Variante des peitschenschwingenden Mr. Grey treffen. Außerdem ist der Humor meist so oberflächlich wie die Charaktere, über die sich der Film lustig machen möchte. Die größte Schwäche besteht aber in der misslungenen Figurenzeichnung, weil sich das Drehbuch einfach nicht entscheiden kann, wie es uns die Hauptfigur denn nun eigentlich präsentieren möchte: einerseits scheint Anabel ein unterbelichtetes Dummchen zu sein, nur um dann im nächsten Moment als redegewandtes taffes Mädel aufzutreten, das mit allen Problemen spielend fertig wird. Aber unterschätzen sollte man „High Society“ dann auch wieder nicht: da stirbt ein Großindustrieller mit dem Namen eines Kinderschlitten auf den Lippen – und ganz ehrlich: wer von uns hätte hier schon mit einer Anspielung auf „Citizen Kane“ gerechnet?

5 von 10 proletarisch angereicherten Luxuspunkten

franco schedl