Filmkritiken

"Hereditary - Das Vermächtnis": Schreckliches Familienerbe

Andere Familien haben ihre Leichen im Keller; bei dieser muss man schon etwas höher hinaufsteigen, um fündig zu werden.

Die Grahams sind wirklich nicht zu beneiden: ihre Angehörigen scheinen seit Generationen vom Unglück verfolgt zu sein und es kommt immer wieder zu schweren Krankheiten, Selbstmord oder tragischen Unfällen. Auch am Filmbeginn steht der Tod: eine Traueranzeige wird eingeblendet, die uns vom Ableben einer 78jährigen Frau informiert, und dann nimmt das Familiendrama seinen Lauf. Zunächst scheint alles recht harmlos zu sein und wir lernen ein ziemlich idyllisch gelegenes Wohnhaus im Grünen kennen, doch ein Gefühl des Unbehagens breitet sich schon von der ersten Minute an aus, wozu die entsprechende Filmmusik beiträgt.

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Eine heimgesuchte Familie

Der Tod der alten Frau lastet wie ein Fluch über der gesamten Familie und ihre Mitglieder benehmen sich oft reichlich seltsam. Die Mutter bastelt für ein Kunstprojekt Miniaturhäuser mit perfekt eingerichteten Wohnräumen, aber die sich überstürzenden Ereignisse lassen ihr kaum Zeit für solche konzentrierte Maßarbeit. Wir haben Toni Collette ja schon öfter als begnadete Komödiantin erlebt, diese Rolle verlangt ihr jedoch ganz anderes schauspielerisches Können ab und man kann kaum glauben, was diese Figur alles verkraften muss. Die 13jährige Tochter (Milly ) hingegen scheint in ihrer eigenen Welt zu leben und wirkt meistens ziemlich weggetreten. Wenn sie dann einmal handelt, ist das auch aber nicht gerade beruhigend (man sehe sich z.B. an, was sie mit einer toten Taube anstellt oder welche Zeichnungen sie anfertigt). Es ist klar, dass Shapiro auf Grund ihres Aussehens gecastet wurde, denn sie hat ein Gesicht, das man so schnell nicht mehr vergisst: einerseits ist es puppenhaft jung und zugleich das einer uralten Frau - fast könnte man sie für die lebendig gewordenen Mörderpuppe Chucky halten. Der etwas ältere Sohn (Alex Wolff) wirkt auf den ersten Blick wie ein normaler Junge, der sich hauptsächlich für Mädchen und Gras interessiert, doch auch ihn holen die Familiendämonen ein (und zwar bevorzugt während des Schulunterrichts). Am geistig stabilsten dürfte noch der Vater (Gabriel Byrne) sein und das will etwas heißen, denn er wird pausenlos mit neuem Unglück konfrontiert und muss auf schwere Schicksalsschläge reagieren.

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Kleine Effekte mit großer Wirkung

Ari Asters Horrorfilm wurde von vielen amerikanischen Kritikern bereits als Geniestreich gefeiert, nachdem er auf dem Sundance Festival seine Premiere erlebt hatte. Tatsächlich baut der Regisseur eine beinahe unerträgliche Spannung auf, wobei gerade kleinste Effekte große Wirkung erzielen - da genügen ein Zungenschnalzen oder Lichtreflexe, die durchs Zimmer geistern, um unseren Puls in die Höhe zu treiben. Bei so viel bedrohlichen Vorzeichen ist es echt schwierig, nicht den Kopf zu verlieren - und das ist durchaus wörtlich zu verstehen.

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Fährten und Leitmotive

Aster verquickt gekonnt einige gängige Horror-Motive und führt uns auf verschiedene Fährten: hängt alles mit Telekinese zusammen, weil es vielleicht um ein Mädchen mit „Carrie“-artigen Kräften geht? Steckt hinter dem Grauen ein Geist bzw. Dämon, der sich nach einer Séance bemerkbar macht? Oder läuft es auf etwas ganz anderes hinaus und haben wir es womöglich mit einer Form von Wahnsinn zu tun – etwa einer vererbten Krankheit, die das Wirklichkeitsempfinden trübt?  Durch geschickt eingefügte Leitmotive - z.B. die Farbe Rot und ständige Verweise auf Feuer - werden außerdem bestimmte Entwicklungen schon vorweggenommen.

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Enttäuschendes Finale

Dennoch hat mich der Schluss dann enttäuscht, was einfach an meinen persönlichen Vorlieben liegt:  diese spezielle Spielart des Horrors, auf die alles zusteuert, ist mir absolut unsympathisch. Weiter ins Detail kann ich leider nicht gehen, weil ich dann zu viel verraten müsste. Es ist sozusagen ein Ende, wie es im Buch steht, denn eine Kiste mit Bänden der toten alten Frau enthält alle Antworten. Das Finale mutet uns jedenfalls ganz schön viel zu und ich kann mich schwer dagegen wehren, bestimmte Szenen lächerlich zu finden, obwohl sie durch ihre Gewaltsamkeit besonders drastisch erscheinen wollen. Trotzdem zählt „Hereditary“ zu jenen Werken, die uns noch lange verfolgen werden.

7 von 10 abgeschnittenen Vogelköpfen

franco schedl