Filmkritiken

"Glory": Bestrafte Ehrlichkeit

Was würden wir tun, sobald uns durch Zufall ein Vermögen in den Schoß fällt, das wir uns problemlos einsacken könnten? Der bulgarische Bahnarbeiter Petrov kommt in diese Situation, denn bei einem seiner Kontrollgänge stolpert er wortwörtlich über einen riesigen Geldhaufen auf den Schienen. Noch dazu wurde dem Finder auf Grund der maroden Wirtschaftslage seit zwei Monaten kein Gehalt ausgezahlt.

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Macht sich Ehrlichkeit bezahlt?

Der Mann lebt ohnehin in äußerst bescheiden Verhältnissen: Mit Hasen als einziger Gesellschaft bewohnt er einen Schrebergarten und macht überhaupt eine etwas unglückliche Figur. Seinen wildwuchernden Bart darf er nicht stutzen, weil er angeblich ein Gelübde abgelegt hat, und dass er ein schwerer Stotterer ist, erleichtert ihm das Leben auch nicht gerade. Eine Eigenschaft zeichnet ihn jedenfalls aus: Ehrlichkeit. Er hält zum Beispiel nichts davon, wenn sich seine Kollegen einen Zusatzverdienst verschaffen, indem sie Kraftstoff von der Bahn abzweigen, und als er das Geld findet, kontaktiert er umgehend die Polizei. Zahlt sich Ehrlichkeit also wirklich aus? Dieser Film gibt eine sehr desillusionierende Antwort auf diese moralische Frage.

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Eine verlustreiche Ehrung

Der Verkehrsminister ist gerade in einen Korruptionsskandal verwickelt und so nutzt seine ehrgeizige PR-Frau die Gunst der Stunde, um von den Übelständen abzulenken – eine große Ehrungszeremonie für den Geldfinder soll helfen, das angeschrammte Image des Politikers wieder aufzupolieren. Der einfache Mann Tsanko ist dabei mehr als fehl am Platz und durch eine Reihe von unglücklichen Zufällen nimmt sein Leben von nun an einen immer absurderen Verlauf; er scheint in einer Abwärtsspirale gefangen zu sein, denn nichts klappt mehr.  Besonders über die geschenkte Armbanduhr ist er unglücklich und hätte gerne seine alte Uhr der Marke „Glory“ wieder zurück, doch dieses Erbstück seines Vaters wurde von der schusseligen PR-Lady offenbar verschlampt. Als er gegen den ganzen Politzirkus aufbegehrt und seine Würde retten will, gewinnt er in der Frau eine mächtige Feindin, die auch nicht vor üblen Intrigen zurückschreckt, um ihre Ziele zu erreichen.

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Eine bissige Satire

Ähnlich wie Andrey Zvyagintsev in seinen Meisterwerken „Leviathan“ oder „Loveless“ ein ungeschöntes Bild der Verhältnisse im modernen Russland entwirft, hat sich das Regieduo Margita Gosheva und Stefan Denolyubov den bulgarischen Missständen angenommen: mit grimmigem Humor zeigen sie einen Alltag, der durch Armut, Korruption, Skrupellosigkeit und Menschenverachtung geprägt ist. Die bissige Satire ist großartig gespielt und verfügt über ein sensationell gutes Drehbuch, das sich gegen Ende noch steigert und die Zuseher lustvoll auf eine falsche Fährte führt. Zu Recht wurde das Werk von Bulgarien bei den letzten Oscars als bester fremdsprachiger Film eingereicht.

10 von 10 unversteuerten Fundstücken

franco schedl