Filmkritiken

GELUNGENER MÄRCHENZAUBER

Falls wir in der Kindheit nicht aufgepasst haben sollten, ist uns das Märchen von Cinderella mittlerweile dank Hollywood dennoch ausreichend bekannt. Erst vor ein paar Wochen haben wir es in einer ziemlich kompakten und gesanglich gesättigten Version nacherzählt bekommen: „Into the Woods“ hat damals versucht, das ungekämmte Aschenbrödel gegen den Strich zu bürsten. Kenneth Branagh macht es da im Auftrag der Walt Disney Pictures nicht so kurz und musikalisch, aber dafür sehr mitreißend und überzeugend.

Immerhin ist Branagh ein kultivierter Mann von Bildung und Geschmack, der es versteht, sogar einem Marvel-Superhelden einen Hauch von Shakespeare zu verpassen, wie er uns in seiner „Thor“-Version bewiesen hat; und bei den Brüdern Grimm versagt sein Talent, auch noch die kleinste Nebenfigur mit echtem Leben zu erfüllen, erst recht nicht. Die Dreharbeiten fanden in den britischen Pinewood Studios und an stimmungsvollen Originalschauplätzen wie Blenheim Palace oder Windsor Castle statt.

Lily James in der Titelrolle erscheint als menschenfreundliche Unschuld vom Lande vollkommen glaubwürdig und gibt eine entzückende künftige Prinzessin ab. Als Prinz wurde ihr mit dem „Game of Thrones“-Darsteller Richard Madden ein würdiger Partner zur Seite gestellt. Die auf dunkle Rollen fixierte Helena Bonham Carter spielt überraschenderweise gar nicht die böse Stiefmutter, sondern die Gute Fee; wobei der relativ kurze Auftritt vielleicht in erster Linie dazu dient, einen Ausgleich zum Image der bösen Zauberin zu schaffen, das ihr seit „Harry Potter“ anhaftet. Dafür ist die andere Rolle bei Cate Blanchett bestens aufgehoben: die Figur der Stiefmutter hat einige wesentliche Ausgestaltungen erfahren, damit die Darstellerin den problematischen Charakter noch intensiver zur Geltung bringen kann und manchmal sogar fast unser Mitleid erregt.

Sternchenzauber und Märchenflitter aus der CGI-Maschine dürfen selbstverständlich auch nicht fehlen, aber die Effekte sind dennoch verhältnismäßig sparsam eingesetzt - sie dienen niemals als Selbstzweck und müssen auch nicht irgendwelche anderen Mängel verdecken. Wirklich sensationell ist beispielsweise die Rückverwandlung von Cinderellas Kutsche und Bedienten: während es dahinrast wird das Gefährt wieder zum ursprünglichen Kürbis, der Kutscher und die Lakaien erhalten ihr tierisches Dasein als Gans und Eidechsen zurück, und die Pferde verkleinern sich erneut zu Mäusen.

Branagh lässt durch seine in jeder Hinsicht überbordende Neuinszenierung des Animationsklassikers aus dem Hause Disney der Märchenwelt alle Ehre widerfahren und entfaltet einen Filmzauber, dem man sich nur schwer entziehen kann. 9 von 10 mit Sekt gefüllten gläsernen Schuhen.

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