"Die Wolke von Sils Maria": Frauendrama in einer nietzscheanischen Landschaft
Von Katrin Froestl
Sils Maria: Ein Ort in der Schweiz, an dem nicht bloß Nietzsche seinerzeit gerne in Abgeschiedenheit verweilte. In Olivier Assayas neuestem Film kombiniert dieser das eindrucksvolle Wolkenphänomen der Maloja-Schlange mit einer Geschichte, die von der Konfrontation mit der Vergänglichkeit der Jugend handelt.
Maria Enders (Juliette Binoche) ist eine weltweit berühmte Theater- und Filmschauspielerin, die mit ihrer Assistentin Valerie (Kirsten Stewart) in die Schweiz reist, um einen Preis für den Autor und Regisseur Wilhelm Melchior entgegenzunehmen. Enders pflegt eine tiefe Freundschaft zu Melchior, welcher Ihr 20 Jahre zuvor mit dem Bühnenstück "Maloja Snake" zum großen Durchbruch verholfen hat. Damals, in der Blüte ihrer Jugend, spielte sie in Melchiors Werk die junge, skrupellose Sigrid, die mit ihrer verzaubernden Art ihre etwas ältere Chefin Helena verführt.
In Zürich angekommen, begegnet Enders dem Erfolgsregisseur Klaus Diesterweg (Lars Eidinger), der ihr anbietet, in seiner Neuadaption des Bühnenstücks "Maloja Snake" mitzuwirken, diesmal allerdings nicht als die junge ungebundene Sigrid, sondern als die von Zweifeln geplagte, in die Jahre gekommene Helena. Maria zögert anfangs und es bedarf einiger Überzeugungsarbeit von Valerie, bis sie schlussendlich das Rollenangebot annimmt. Der Part der Sigrid geht dieses Mal an das skandalumwobene Hollywood-Püppchen Jo-Ann Ellis, die sich ihrer Kontrahentin Maria Enders vorerst ehrfürchtig präsentiert, sie gegen Ende jedoch ganz unverblümt spüren lässt, wie wenig Wert sie auf ihre Meinung legt.
In der zweiten Episode des Films verfolgt der Zuseher Enders Vorbereitungen auf das Stück in der formvollendeten, jedoch sehr einsamen Umgebung von Melchiors Landdomizil in Sils Maria. Oftmals begleitet man Enders und ihre Assistentin zu der sie ein sehr vertrautes Verhältnis hat, bei Wanderungen durch die ansehnlichen Landschaften, beobachtet sie beim Proben des Stückes oder hört ihren Diskussionen über die Textinterpretation zu, bei welcher ihre Ansichten stark voneinander abweichen.
Der Film analysiert sorgfältig die Beziehungen der Charaktere untereinander und verliert sich zuweilen darin, wodurch er an Virtuosität einbüßt. Durchaus authentisch entwirft Regisseur Olivier Assayas das Portrait einer erfundenen Schauspielerpersönlichkeit, hat dem Zuseher darüber hinaus allerdings nicht viel mehr zu bieten, was ein eher schales Kinoerlebnis ergibt. Es scheint fast so, als ob der Regisseur - vermutlich beeinflusst durch die Bergfilmaufnahmen eines Arnold Franck - den Wunsch hegte, jenes lokale Wolkenphänomen filmisch einzufangen und um dieses Setting herum zusätzlich eine Geschichte erfand, die auf dem Konzeptbogen effektvoller wirkt als auf der großen Leinwand.
5,5 von 10 zu erreichenden Berggipfeln.
Katrin P. Fröstl