Filmkritiken

FLOWER-POWER-BLUT-BALLADE

Ob als scherenhändiger Freak, teuflischer Barbier, schrulliger Schokoladefabrikant oder verrückter Hutmacher - Johnny Depp liebt das Bizarre und sobald er mit Tim Burton zusammenarbeitet, kommt er voll auf seine Kosten (und wir natürlich auch).

Nach der gleichnamigen kultverdächtigen Fernsehserie aus den 60er Jahren inszenierte Burton nun ein überdrehtes Familiendrama, angesiedelt zwischen Hexenkraft, Gothic-Grusel, Wortwitz, Blutdurst und der Flower-Power-Generation.

Der ehrenwerte Barnabas Collins hatte das Pech, im Neuengland des 18. Jahrhunderts von einer erbosten Hexe in einen Vampir verwandelt und lebendig begraben zu werden. Weil 200 Jahre für die Halbwertszeit eines Untoten jedoch nicht ins Gewicht fallen, kommt der zufällig aus seinem Grabgefängnis befreite Barnabas plötzlich wieder höchst (un)lebendig daher: er muss sich im veränderten Amerika des Jahres 1972 zurecht finden und v.a. seine exzentrischen Nachkommen vor allerlei Gefahren beschützen, da der Familienfluch und die ihn verursachende Hexe noch immer äußerst aktiv sind.

Johnny Depps Totenblässe täuscht bestimmt niemanden darüber hinweg, dass er ein Vollblutschauspieler ist und gerade in dieser ambivalenten Rolle zeigt er, was alles in ihm steckt. Als Gentleman der guten alten Schule befleissigt er sich einer gediegen-blumigen Sprache mit wohlabgewogenen Sentenzen, hat aber auch keine Berührungsängste, gemeinsam mit Hippies am Lagerfeuer zu sitzen – und sobald sein Hunger überhandnimmt, sollte man ihm sowieso besser ausweichen.

Michelle Pfeiffer gibt das resolute weibliche Familienoberhaupt, und als Vertreterin der jungen frühreifen Generation macht die 15jährige Chloe Moretz eine gewohnt gute Figur. Auch Helen Boham Carter kann erfahrungsgemäß nicht weit sein, sobald Tim Burton im Regiestuhl Platz genommen hat. Deshalb ist es nicht wirklich überraschend, wenn wir sie als dauerbesäuselte Psychologin im Dienst der Familie Collins treffen. Ihre richtig böse Seite darf sie diesmal freilich nicht zeigen, da der diabolische Part ausschließlich in Eva Greens Aufgabenbereich fällt, was diese mit jeder Menge schwarzer Magie und dem Charme einer geborenen Femme Fatale locker bewältigt. Zu den speziellen Höhepunkten zählt hier ein wirklich KRAFTtvolles Liebesgerangel zwischen ihr und dem Vampir.

Übrigens absolviert auch Jonathan Frid, der zwischen 1966 und 1971 annähernd 600 Mal in die Rolle des Barnabas Collins geschlüpft ist, ehrenhalber einen kurzen Gastauftritt (und der Zeitpunkt dafür hätte nicht besser gewählt sein können, weil Frid wenige Monate nach Abschluss der Dreharbeiten mit 87 Jahren verstarb)

Gegen Ende wird die Handlung immer irrwitziger und steigert sich zu einem trickreichen Showdown, bei dem Burton vor keinem Knalleffekt zurückschreckt und sich (sowie seiner Frau Bonham Carter) alle Möglichkeiten für eine eventuelle Fortsetzung offen hält. Falls es damit doch nichts wird, warten wir jetzt zumindest auf seine Version von „The Munsters“: immerhin könnte Johnny Depp als Herman sein Repertoire um ein Monster bereichern, das ihm auf seiner Liste bisher noch fehlt.

Bei „Dark Shadows“ sind 9 von mir gespendete Blutstropfen zwar nicht gerade vampirsättigend, aber für unsere Zwecke gerade ausreichend.
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