Filmkritiken

"The Last of Us": Ist die Sky-Serie das neue "The Walking Dead"?

Hand aufs Herz (und weg vom Game-Controller): Videospiel-Verfilmungen bzw. -Serienadaptionen gehen oft gehörig in die Hose. Entweder wird die Atmosphäre des zugrundeliegenden Games nicht adäquat für den kleinen oder großen Bildschirm adaptiert, es wurden zu viele Änderungen vorgenommen oder die SchauspielerInnen werden den Charakteren aus der virtuellen Welt nicht gerecht. Wie auch immer, in den meisten Fällen gilt: Lieber beim Original-Game bleiben!

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"The Last of Us" will diesen Fluch nun brechen. Die Serie, die auf einem der erfolgreichsten Games der vergangenen Jahre basiert, gehört zu den meisterwarteten und -gehypten Shows dieses Jahres, bei "Rotten Tomatoes" hält sie aktuell bei sagenhaften 97 Prozent. Ab dem 16. Jänner ist "The Last of Us" auf Sky/ Sky X (und in Deutschland auf WOW) zu sehen.

film.at hat vorab die 9 Episoden (jede Folge ist zwischen 45 und 80 Minuten lang) umfassende ersten Season gesehen. Dabei ist beim Autor dieses Artikels (mehr als ohnehin schon!) ein innerer Dialog entstanden – und zwar zwischen seinem inneren Game-Teufelchen und seinem Serien-Engerl ....

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Serien-Engerl: Hey Bro, könntest du bitte kurz den Game-Controller zur Seite legen? Ich hab da einen Serien-Tipp für dich, der dich interessieren wird.

Game-Teufelchen: Okay, wenn's sein muss. Schieß los (so wie ich grad auf den Zombie, haha!).

Serien-Engerl: Apropos Zombies: Du liebst doch "The Last of Us". Dazu gibts jetzt eine Serie auf Sky. Wie im Game geht's um den 52-jährigen Schmuggler Joel, der gemeinsam mit der 14-jährigen Ellie durch ein postapokalyptisches USA reist, nachdem das gesamte Land von einer Pandemie heimgesucht wurde, die von einem Pilz (und nicht durch Coronaviren) ausgelöst wurde. Dieser Pilz verwandelt alle Infizierten in zombieähnliche Wesen, was natürlich nicht lustig ist. Nur Ellie scheint immun gegen den sogenannten Codyceps-Pilz zu sein, weshalb sie der Schlüssel zur Rettung der gesamten Menschheit sein könnte.

Game-Teufelchen: Weiß und kenn' ich schon alles. Muss ich mir also nicht mehr anschauen. Thank u, next! Jetzt lass mich weiterballern.

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Serien-Engerl: Jetzt chill mal, Bro. Ich bin sicher, dass du von der Serie nicht gelangweilt sein wirst – vor allem, weil du neue Dinge entdecken wirst.

Game-Teufelchen: Welche zum Beispiel?

Serien-Engerl: Zugegeben, die Serie orientiert sich äußerst streng an der Vorlage. Das hat wohl auch damit zu tun, dass einer der Macher Neil Druckman ist, Autor und Creative Director des Spiels. Trotzdem fügt die Serie dem Game überraschend nuancierte neue Aspekte hinzu. Zum Beispiel bekommen wir viel mehr von der Welt vor der Apokalypse zu sehen, allen voran in der ersten Episode. 

Game-Teufelchen: Das gefällt mir. Im Game wird ja nur angedeutet, wie die Menschen vor der Pandemie gelebt haben.

Serien-Engerl: Genau. Die Serie spielt übrigens im Jahr 2023, 20 Jahre nach dem Ausbruch der Pandemie. Im Game ist die Story ja 2033 angesiedelt, aber die Änderung der Zeit bewirkt, dass die Serie einen noch stärkeren Sog entwickelt, da sich die Ereignisse realer, direkter anfühlen. 

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Game-Teufelchen: Okay. Aber war das alles, was die Serie an Änderungen präsentiert? Weil das ist mir bisserl zu wenig. 

Serien-Engerl: Nein, ganz und gar nicht. Die Art der Infektion wurde verändert. Und: Im Game gibt's ja zahlreiche Nebenfiguren, die aber dort sehr stark im Hintergrund bleiben. In der "The Last of Us"-Serie dagegen werden genau diese Charaktere ins Rampenlicht geholt, ihr Schicksal und ihr Alltag in einer postapokalyptischen Welt beleuchtet. Damit wird das "The Last of Us"-Universum vielschichtiger und dreidimensionaler. Obwohl diese Änderung auch einen Nachteil mit sich bringt.

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Game-Teufelchen: Nämlich?

Serien-Engerl: Natürlich stehen nach wie vor Joel und Ellie im Fokus, man begleitet sie auf ihrer emotionalen Reise und erlebt, wie die beiden unterschiedlichen Charaktere zusammenwachsen und zu einer Ersatzfamilie werden. Manchmal aber – wenn auch selten – konzentriert sich die Handlung derart stark auf die Nebenfiguren, dass Joel und Ellie zu sehr ins Abseits geraten.

Das hat wiederum auch Einfluss auf die Erzählstruktur der Serie: Natürlich wird "The Last of Us" horizontal erzählt, doch da jede Folge andere Figuren, auf die Joel und Ellie treffen, in den Vordergrund stellt, erinnert die Serie an "Cases of the Week", die in sich abgeschlossen sind. Cliffhanger am Ende der Episode gibt's während der ersten Staffel nur sehr wenige.

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Game-Teufelchen: Klingt aber dann doch nicht so, als wäre die Serie sehr Originalwerk-getreu ....

Serien-Engerl: Doch, denn im Grunde erzählt sie dieselbe Story, nur ausschweifender. Keine Sorge, Lückenfüller gibt's wegen der geringen Episodenanzahl aber trotzdem keine. Zudem wirst du dich als Fan freuen, weil viele wichtige – und ikonische – Szenen aus dem Spiel teils detailgenau übernommen wurden, was natürlich Fanservice ist, aber trotzdem zeigt, dass die Serie vor allem eines ist: eine liebevolle (und auch gruselige) Verbeugung vor dem Original.

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Game-Teufelchen: Hoffentlich mehr gruselig als liebevoll! Ich liebe es nämlich, im Game zu fighten und die furchterregende Atmosphäre auf mich wirken zu lassen. 

Serien-Engerl: Jump-Scares sowie Action- und Horrorszenen gibt's natürlich auch in der Serie, aber die werden sehr gering eingesetzt – dafür aber umso effektiver, ein guter Magen wäre empfehlenswert ... Vielmehr geht's Co-Showrunner Craig Mazin, ähnlich wie in seiner gefeierten Serie "Chernobyl-Schöpfer", um den zwischenmenschlichen Schrecken, den psychologischen Horror inmitten einer fremden Welt, die irgendwann mal dein Zuhause war. 

Während das Game auf Tempo inszeniert war, lässt sich die Serien-Adaption Zeit, um uns ein Bild dieser neuen Welt zu vermitteln, in der auch den Nicht-Infizierten jede Art von Menschlichkeit abhanden gekommen ist. Aber genau diese Menschlichkeit gilt es, wiederzuentdecken. "The Last of Us" bietet viele emotionale Momente, die mehr erschrecken als ein Blutbad.

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Game-Teufelchen: Damit kann ich leben. Die Beziehung zwischen Joel und Ellie war ja auch bereits der – emotionale – Kern der Story. Der bleibt anscheinend erhalten. Ich frage mich aber: Wenn ich nicht selbst fighten kann, dann bleibt ja nur die Story übrig – und die ist, trotz tollen Bildern und stimmiger Atmosphäre, ja schon im Spiel recht dünn ...

Serien-Engerl: Das ändert sich auch in der Serie nicht. Dem muss sich das Publikum bewusst sein. Die Story passt nach wie vor auf einen Bierdeckel, was durch den Wegfall des interaktiven Gameplays natürlich noch etwas mehr auffällt. Die Kritik vom "Slant Magazine" etwa, dass die Handlung relativ vorhersehbar ist, lässt sich nicht ganz von der Hand weisen.

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Game-Teufelchen: Gibt's wenigstens noch den fantastischen Look des Games in der Serie?

Serien-Engerl: Auf jeden Fall. Die Bildgewalt ist einer der größten Pluspunkte der Serie. Zerfallene Metropolen, vertrocknete Wiesen, verschneite Berglandschaften – die Kulisse ist mindestens ebenso cineastisch in Szene gesetzt wie in der Vorlage. Das CGI bei den Monstern passt ebenfalls, auch wenn zugegeben hier das Rad nicht neu erfunden wurde.

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Game-Teufelchen: Wie schaut's den mit den SchauspielerInnen aus? Die tragen ja doch die Serie, Look hin oder her ...

Serien-Engerl: Das ist bei "The Last of Us" nicht anders. Ich kann dich aber beruhigen: Pedro Pascal als Joel und insbesondere Bella Ramsey als Ellie machen einen hervorragenden Job,  sie überzeugen sowohl in den actionreichen als auch in den emotionalen Momenten und ihre Verbindung zueinander nimmt man ihnen problemlos ab.

Pascal gibt einen etwas väterlichen und "Ordinary Joe"-mäßigen Joel, was wir von der Vorlage nicht so gewohnt sind. Auch Ellie geht viel mehr aus sich heraus als im Game, ist frecher und extrovertierter. Diese Änderungen mögen nicht bei allen Fans gut ankommen, bewirken aber, dass die Figuren mehr sind als reine Kopien der Originale. Auch die vielen Gaststars liefern gekonnte Performances ab.

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Game-Teufelchen: Zombies als Metapher für fehlende Menschlichkeit, das Überleben in einer postapokalyptischen Welt, der Fokus auf das Zwischenmenschliche – klingt für mich, als ob "The Last of Us" das neue "The Walking Dead" wäre ...

Serien-Engerl: Stimmt schon, irgendwie. Aber "The Last of Us" setzt weniger auf den Kampf, sondern fokussiert sich mehr auf die innere Zerrissenheit der Figuren. Meiner Meinung nach ist "The Last of Us" auch bildgewaltiger als "The Walking Dead" und kann mit stärkeren Performances der DarstellerInnen punkten. Dadurch, dass wir in "The Last of Us" mehr von der Welt vor der Apokalypse erfahren, bauen wir schneller eine Beziehung zu den Figuren auf und können ihre Handlungen besser nachvollziehen. "The Walking Dead" war außerdem brutaler als die neue HBO-Serie.

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Game-Teufelchen: Okay, ich bin hooked. Eine letzte Frage: Netflix cancelt ja seit einiger Zeit Serien nach nur einer Staffel und wir Fans werden mit ärgerlichen Cliffhangern zurückgelassen. Wird das bei "The Last of Us" auch so sein?

Serien-Engerl: HBO ist nicht Netflix. Die erste Staffel hat sich dem ersten "The Last of Us"-Spiel angenommen und dessen Story komplett verfilmt. Das heißt, am Ende der 9. Episode ist diese Handlung abgeschlossen, die Serie könnte damit zu Ende sein. Doch Druckman und Mazin haben bereits angedeutet, dass es noch mehr Staffeln geben könnte. Als Vorlage wäre dann das Game "The Last of Us Part II" möglich. Und ...

Game-Teufelchen: Jaja, alles klar, genug gelabert. Ich werde mir am 16. Jänner die erste Folge von "The Last of Us" auf Sky ansehen. Und wehe, du hast zu viel versprochen! Aber jetzt lass mich bitte weiter zocken ...