"The Crown"-Kritik zum Serienfinale: Das Ende einer Ära
Von Maike Karr
Das Ende einer Ära. Nach sieben Jahren und sechs Staffeln ist die Erfolgsserie von Netflix über das britische Königshaus, "The Crown", zu einem Abschluss gekommen. Wie untypisch die Serie in ihren letzten Folgen ist und wie sie dann doch wieder zu sich selbst findet, beschreiben wir euch in unserer Kritik zum Serienfinale.
Das Problem mit Diana
Seit der Einführung von Emma Corrin als zukünftige Prinzessin von Wales in Staffel 4 hat Diana die gesamte zweite Hälfte von "The Crown" dominiert, einer jahrzehntelangen Dramatisierung der britischen Monarchie von den Nachwehen des Zweiten Weltkriegs bis ins 21 Jahrhundert. Gerade in Staffel 6.1 hätte man die Serie eigentlich schon von "The Crown" in "Lady Di" umbenennen müssen, so sehr steht die Tragödie von Dianas Leben und ihrem Tod im Fokus der Show.
Ihre plötzliche Abwesenheit in Staffel 6.2 führt zu einem Gefühl der Orientierungslosigkeit, das die Emotionen widerspiegelt, die die Welt vor über 25 Jahren gemeinsam erlebte. Ohne diesen Leuchtturm des Charismas, hervorragend verkörpert von Elizabeth Debicki, wirkt "The Crown" ruhig – die Farben gedämpft, die Lautstärke gedämpft. Die Stimmung entspricht zwar der Zeit nach Diana Tod, erzeugt auch eine weniger ideale Tonart, um ein Projekt von solchem Ehrgeiz und Umfang zu beenden.
Mit anderen Worten: Mit Diana geht's nicht, ohne aber auch nicht wirklich.
Harry, we got a problem
Prinz Harry war in seiner Jugend eine Skandalnudel. Man kann es nicht anders sagen. Und genauso wird der Rotschopf auch in der Netflix-Serie dargestellt – als rebellischer, verwöhnter und unreflektierter Teenager, der seine Pflichten als Prinzen lästig findet und seinen Vater verachtet. Die Rolle des Teenagers, der in dem Leben eines Prinzen feststeckt, wird perfekt von Luther Ford porträtiert, der den wilden Gegenpart zum charmanten Ruhepol William, gespielt von Ed McVey, darstellt.
An Fords Performance ist auch gar nichts auszusetzen, sondern viel mehr an dem Charakter Harry selbst. Es fehlt eine Ergründung dessen, wie Harry zu der Person geworden ist, die dem Publikum in Staffel 6.2 präsentiert wird. Ein Blick in sein Innenleben fehlt. Dabei hätte das der Figur eine großartige Multidimensionalität geben können. Immerhin ist Prinz Harry im echten Leben eine überaus spannende Person, da er es als einer der wenigen Royals gewagt hat, das Undenkbare zu tun – nämlich sich seinen royalen Pflichten zu entziehen und dem britischen Königshaus den Rücken zu kehren.
Zu viel Prinz William & Kate?
Weitere Figuren, die in der finalen Staffel nicht so gut davonkommen, sind die Middletons, insbesondere Kates Mutter. Sie werden wie Jäger dargestellt, die sich den jungen Prinzen William als Ehemann bzw. Schwiegersohn erkoren haben und alles dafür tun, dieses Ziel zu erreichen. So charmant Kate ist und so süß das junge Liebespaar zusammen aussieht, so abschreckend wirkt dieses Jagdverhalten der Middletons.
Auf Kate und William liegt in Staffel 6.2 sowieso ein starker Fokus, was Vor- als auch Nachteile hat. "The Crown" ist schon immer mit der Zeit gegangen und hat sich nach dem gerichtet, worauf in der Zeit gerade der Fokus der Gesellschaft lag. Was hat damals die Leute an den britischen Royals interessiert? Und was findet man heutzutage noch interessant an der damaligen Zeit?
Um die Jahrtausendwende war die Welt nun mal von Dianas Sprösslingen, allen voran dem zukünftigen König William, angetan. Deshalb ergibt es durchaus Sinn, einen (etwas längeren) Blick auf sein Leben zu werfen. Gerade das jüngere Publikum ist mit Prinz William und Herzogin Kate als vorbildliches Ehepaar der britischen Royals aufgewachsen und ist daran interessiert, wie sich die beiden kennen und lieben gelernt haben. So werden die beiden Figuren viel greifbarer, denn in seinen Zwanzigern hat sich wohl jede:r schon mal verliebt und kann da sehr gut mitfühlen.
Dadurch bieten die William und Kate-Folgen etwas, was die royale Serie sonst eher selten zu bieten hat: Nahbarkeit. Von daher ist ein Fokus auf dem jungen Liebespaar überaus verständlich, auch, wenn es sich stark von dem sonst eher strikten und edlen Leben am Hof des Buckingham Palace, allen voran dem der Queen, und damit auch vom Rest von "The Crown" abhebt.
Rückbesinnung auf die Stärken von "The Crown"
Wie man am letzten Abschnitt sehen kann, ist "The Crown" stets mit der Zeit gegangen, ohne dabei jedoch seinen Stil zu verlieren. Das lässt sich der Netflix-Hit auch in seiner letzten Runde nicht nehmen.
Während sich die Serie in Staffel 6.1 mit dem scheinbar völligen Losreißen vom Hofleben und dem kompletten Fokus auf Lady Diana zu verlieren schien, findet sie sich in Staffel 6.2 wieder. Sie besinnt sich auf ihre Stärken, indem sie Soloepisoden einbaut, die eine gute von einer hervorragenden Serie unterscheidet.
So steht zuerst eine der spannendsten Personen der britischen Königsfamilie, Prinzessin Margaret, im Fokus, dann wird ein Blick auf das junge Leben von Prinz William an der Universität geworfen, bis sich schließlich die Queen damit auseinandersetzen muss, wie zeitgemäß eine Monarchie im 21. Jahrhundert ist. Durch Margarets Handlungsstrang bekommt "The Crown", aber auch die Queen mehr Emotion und rührt durch die unglaubliche Verbindung der Schwestern zu Tränen. Zusammen mit der Reflexion des Königshauses über ihre eigene Existenz zeigt das den Fortgang der Jahre. Als Zuschauer:in wird man nostalgisch, wenn man darauf zurückschaut, wie viele Jahrzehnte man die Queen, ihre Familie und die Institution der Krone begleitet hat.
Ein letzter Preisregen für "The Crown"?
Eine weitere Qualität der Erfolgsserie, auf die man sich immer verlassen und freuen konnte, waren Schauspielleistungen der höchsten Klasse. Die Schauspieler:innen wurden eins mit ihren Rollen und vermochten es, den inneren Konflikt der persönlichen Gefühle, der öffentlichen Präsenz und der royalen Pflichten so authentisch darzustellen, dass sich auch normale Bürger:innen in diese Adeligen hineinversetzen konnten. Deshalb wurde die Netflix-Serie auch immer wieder mit hoch angesehen Preisen wie den Emmys und den Golden Globes ausgezeichnet.
Das bekommen Zuschauer:innen auch in der finalen Season präsentiert. Elizabeth Debicki trägt Staffel 6.1 voll und ganz und spielt sich als hin- und hergerissene Lady Diana die Seele aus dem Leib. Auch Imelda Staunton in der Rolle der Queen und Dominic West als verbitterter, aber sich entwickelnder Prinz Charles liefern grandiose Schauspielarbeit. Die Golden Globe-Nominierungen für ihre Darbietungen kommen daher überaus verdient und wenig überraschend.
Das Ende einer Ära
Mit dem Serienfinale kommt "The Crown" (so gut wie) in der Gegenwart an, indem sie sich mit Themen auseinandersetzt, die die Weltgemeinschaft und das britische Königshaus in den letzten zwei Jahrzehnten beschäftigt haben: Wann stirbt die Queen, wodurch Prinz Charles König wird? Und wird die Queen abdanken, wenn ja, wann, wodurch Prinz Charles auch wieder König wird?
Diese Fragen stellen sich in der finalen Folge, als sich die Queen mit ihrem eigenen Tod auseinandersetzen muss und durch die Hochzeit von Charles und Camilla die Frage der Abdankung aufkommt. Der Tod der Queen, wenn auch nur gedanklich, dient als Abschluss der Serie.
Bezüglich der Frage der Abdankung stehen Imelda Staunton Claire Foy und Olivia Colman, die beiden vorherigen Queen-Schauspielerinnen, bei, wodurch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aufeinandertreffen. Vergangenheit, weil man an die vielen Jahrzehnte erinnert wird, die man das Oberhaupt der britischen Monarchie begleitet hat und all die Ereignisse, die man zusammen erlebt hat. Zukunft, weil sich der eigenen Vergänglichkeit gestellt wird. Dem Publikum wird bewusst: Das ist das Ende einer Ära.
Wie wir schon in einem anderen Artikel zum Ausdruck gebracht haben, hätte "The Crown" gerne noch weiter gehen können. Auch nach dem Serienfinale sind wir dieser Meinung. Genug Stoff für eine siebte Staffel haben die letzten zwei Jahrzehnte mit diversen Hochzeiten und Skandalen allemal geboten.
Wertung: 3,5 von 5 Kronen