Filmkritiken

"The Apprentice - The Trump Story": Die Wahrheit über Donald T.?

Wie wurde Donald Trump zu dem, der er ist – also zu einem schwer gestörten Menschen, den man im aktuellen Wahlkampf zu Recht als "weird" bezeichnet? Das Werk des iranisch-dänischen Filmemachers Ali Abbasi ("Holy Spider") versucht darauf in wirklich atemberaubender Weise eine Antwort zu geben und führt uns ins New York der 1970er Jahre, wo der junge Donald um jeden Preis bemüht ist, den Erwartungen seines übermächtigen reichen Vaters zu genügen. Doch auf welche Weise soll er sich profilieren und den Aufstieg an die Spitze schaffen? Da trifft er den skrupellosen Rechtsanwalt Roy Cohn und diese schicksalshafte Begegnung wird alles verändern.

Alle Inhalte anzeigen Alle Inhalte anzeigen

Kein richtiges Biopic

Drehbuchautor und Politikjournalist Gabriel Sherman wollte eine prägende Phase aus Trumps Werdegang ergründe, von der bisher so gut wie nichts bekannt war. Für Abbasi, der sich hier aufgrund seiner Herkunft den Blick des Außenseiters zunutze macht, ist der Film daher weder eine "History-Channel-Dokumentation, noch ein Biopic über Trump", sondern eine intime Studie über ein ganz bestimmtes Kapitel aus dessen Leben. "The Apprentice" stellt sozusagen ein Schlüsselerlebnis mit weitreichenden Konsequenzen dar.

Alle Inhalte anzeigen

Lehrling bei einem Wadlbeisser

Cohn war ein Typ, den man in Österreich als Wadlbeisser bezeichnen würde: Immer im Angriffsmodus, immer auf der Suche nach Schwächen bei seinen Gegnern, guter Freund von Nixon, mit Kontakten zur Mafia und ohne Scheu, auch Erpressung zur Erreichung seiner Ziele einzusetzen. Amateurpsychologen können Theorien entwickeln, warum der Anwalt als jüdischer Homosexueller so besonders aggressiv auftreten musste und sich schon bei der Kommunisten-Verfolgung unter Senator McCarthy hervortat. 

In Trump erkennt er jedenfalls sofort Potential und nimmt ihn unter seinen Schutz. Dank Cohns Einflüsterungen mischt der Newcomer das Immobiliengeschäft des Big Apples auf und eignet sich zugleich das typische Verhaltensmuster seiner späteren Tage an: Sei immer offensiv, leugne alles und behaupte das Gegenteil, stelle dich stets als Sieger dar und gestehe niemals Niederlage ein.

Das Verhältnis zwischen den beiden lässt an Faust und Mephisto denken, aber auch an Frankenstein und dessen Kreatur, die ihm bald über den Kopf wächst, oder an einen Zauberlehrling, der schließlich seinen Meister übertrump(f)t. Folgerichtig kehrt sich die Schüler-Lehrer-Beziehung zuletzt um und Trump zeigt auf besonders hinterhältige Weise, wie gut er Cohns Lektionen gelernt hat. 

Alle Inhalte anzeigen

Drei starke Darsteller zwischen "Captain America" und "Borat"

Sebastian Stan, den Marvel-Fans vor allem als Winter Soldier aus den "Captain America"- und "Avengers"-Filmen kennen, vollzieht hier eine geradezu magische Verwandlung (natürlich ist da schwarze Magie im Spiel, würde der echte Trump meinen – und der muss sich ja in dieser Materie bestens auskennen).  Im Grunde ist "The Apprentice" ein fesselndes Drei-Personen-Stück: Neben einem starken Stan zeigt ein ebenso brillanter Jeremy Strong ("Succession"), dass er das Zeug zum teuflischen Lehrmeister hat, hinter dessen fragiler Fassade aber zugleich große Verletzlichkeit liegt (mit seinen ruckhaften Kopfbewegungen wirkt er wie eine Mischung aus Cobra und Schildkröte); und Maria Bakalova, die uns noch allen aus dem zweiten "Borat"-Film in bester Erinnerung ist, wird auch als Ivana Trump bleibende Eindrücke hinterlassen.

Alle Inhalte anzeigen

Trump als kaltblütiges Monstrum

Abassi bietet eine packende Studie über Machtgier und Skrupellosigkeit, deren Mechanismen weit über das dargestellten Beispiel Trump hinausreichen. Er inszeniert den Stoff mit unglaublicher Treffsicherheit und stellt dar, wie sich der junge Unternehmer in ein Monstrum verwandelt, das allen  - egal ob Vater, Bruder, Ehefrau oder Freund - kaltblütig in den Rücken fällt und sie ins offene Messer laufen lässt. 

Am unheimlichsten ist dann das letzte Geburtstagsfest des Mentors: Als Cohn, durch Aids bereits schwer gezeichnet, im Rollstuhl sitzt, wird er durch Trump auf beschämende Weise vorgeführt und mit einem wertlosen Geschenk abgespeist. Der Film kann auch sehr sarkastisch sein: Nach Cohns Tod lässt Trump aus Angst vor Ansteckung alle Gegenstände, die der Aidskranke berührt hat, desinfizieren und parallel zum Begräbnis der einstigen Vaterfigur erleben wir zu den Klängen einer Kinderstimme mit, wie sich Trump einer Schönheits-OP unterzieht, bei der ihm Fett abgesaugt und die Kopfhaut gestrafft wird. 

Alle Inhalte anzeigen

Der echte Trump droht mit Klage

Der Film behauptet keineswegs, dass sich alles genau so zugetragen hat, strahlt aber völlige Glaubwürdigkeit aus, weil er das Wesen der Hauptfigur genau erfasst hat und schreckt dabei auch nicht vor kontroversen Szenen zurück (Stichwort: Vergewaltigung). Immerhin sorgte das Werk in Cannes für Standing Ovations und brachte den echten Trump auf die Palme. Der Regisseur selbst sieht einer angedrohten Klage sehr ruhig entgegen und scherzte im Rahmen einer Pressekonferenz: "Alle reden darüber, dass er viele Leute verklagt - aber sie reden nicht über seine Erfolgsquote". Abassis Erfolgsquote ist durch "The Apprentice" jedenfalls um volle 100 Prozent gestiegen.

5 von 5 hochstehenden Haarteilen der Trump-Frisur

"The Apprentice - The Trump Story" läuft derzeit in unseren Kinos. Hier geht's zu den Spielzeiten!