Filmkritiken

"Tausend Zeilen": Blasse Mediensatire mit Elyas M'Barek

Ende 2018 erschütterte der Fall Claas Relotius die deutsche Medienwelt. Der "Spiegel"-Journalist hatte sich in den letzten Jahren mit seinen emotionalen Reportagen vom Shootingstar zum Vorzeige-Kollegen entwickelt und galt laut Forbes sogar zu den 30 besten europäischen JournalistInnen unter 30. Er schrieb über gefährliche Gefängnisse am Balkan, Kinder in Kriegsgebieten und bewaffnete Milizen an der amerikanisch-mexikanischen Grenze. Der Haken: Es war alles erfunden.

Relotius hatte knapp 60 Texte gefälscht und avancierte so zum Star der deutschen Medienwelt. Aufgeflogen ist der Skandal durch seinen Kollegen Juan Moreno, der bei der Zusammenarbeit auf Unregelmäßigkeiten stieß und bereit war seine Karriere aufs Spiel zu setzen, um die Wahrheit ans Licht zubringen. "Tausend Zeilen" basiert auf dem gleichnamigen Enthüllungsbuch von Moreno und erzählt die Geschichte hinter den Kulissen des Skandals.

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Vorhersehbare Handlung

"Tausend Zeilen" ist eine familienfreundliche Mediensatire, die versucht ein hochkomplexes Thema durch Überspitzungen humorvoll zu transportieren. Nach seinem Ausflug mit "Ballon" ins dramatische Fach, kehrt Regisseur Bully Herbig nun zurück zur Komödie, aber bleibt dabei allzu brav. Die lineare Handlung wird zwar durch Stilbrüche wie die Durchbrechung der vierten Wand und die Vermischung zwischen Fantasie- und Realitätsebene konterkariert, aber schafft es dennoch nicht, sich von didaktischen Komödien-Klischees zu befreien.

Offensichtliche Vorbilder sind Adam McKays "Vice" und "The Big Short", doch "Tausend Zeilen" kommt bei weitem nicht an dieses Niveau heran. Das liegt vor allem an dem Drehbuch. Durch den großen Skandal 2018 weiß ein Großteil des Publikums bereits, in welche Richtung sich die Geschichte entwickeln wird, weshalb keine ernsthafte Spannung in der Handlung aufkommt. Um diesen Makel zu kompensieren, versuchten die Macher beinahe in jeder Szene ihre Figuren unter Zeitdruck zu stellen. Mal kommen im unpassendsten Moment Fahrscheinkontrolleure, mal müssen Nebenfiguren ganz dringend wohin, doch all diese Tricks helfen nicht, um ein ernsthaftes Interesse an den Figuren zu wecken.

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Starkes Ensemble

Elyas M’Barek spielt den spanischstämmigen Journalisten gewohnt solide. Die auf Claas Relotius basierende Figur wird von Jonas Nay verkörpert, der es glücklicherweise schafft, den Überzeichnungen des Drehbuches zu widerstehen und mit einer zurückhaltenden Mimik einen Hauch von Realität in die Satire einzubringen.

Die größten Lichtblicke vor der Kamera sind jedoch Jörg Hartmann als Chefredakteur und Michael Mertens als dessen potentieller Nachfolger. Die Beiden harmonieren großartig miteinander und sind auch für beinahe alle tatsächlich komischen Szenen im Film verantwortlich.

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Blasse Mediensatire

Das Problem von "Tausend Zeilen" ist, dass sich der Film nicht für den Journalismus interessiert und dadurch auch nicht die Parallelen zum Filmemachen erkennt. Es grenzt an Zynismus einen Film über Medienmanipulation zu machen und derart unreflektiert mit der eigenen Erzählform umzugehen.

Vor allem die schlechten Green Screens, die vergeblich versuchen den Realismus des Films zu betonen, stechen dabei ins Auge: Man fühlt sich an die Mediensatire "France" von Bruno Dumont erinnert, wo die Lügen der Figuren in den formalen Entscheidungen des Filmemachers widergespiegelt wurden – eine Radikalität die Herbigs Werk leider vollkommen fehlt.