"Still Here": Vermisstendrama mit Black-Lives-Matter-Aspekten
Von Erwin Schotzger
Weit über eine halbe Million Kinder werden alleine in den USA jedes Jahr als vermisst gemeldet. Mit jedem Tag, an dem die vermissten Kinder verschwunden bleiben, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sie lebendig wieder auftauchen. In seinem Spielfilmdebüt "Still Here" widmet sich Regisseur und Drehbuchautor Vlad Feier diesem brisanten Thema.
Die zehnjährige Monique Watson ist so ein Vermisstenfall. Seit acht Tagen wird Monique vermisst. Die Polizei hat den Fall aufgenommen, war kurz vor Ort, kümmert sich aber nicht mit herausragendem Ehrgeiz um die Tragödie der afroamerikanischen Familie in einer eher ärmlichen Wohngegend von New York City. Der Vater des vermissten Mädchens, Michael Watson (Maurice McRae), weiß sich nicht anders zu helfen als Tag für Tag Flugblätter mit einem Foto seiner Tochter zu verteilen. Wie seine Familie ist er am Limit dessen, was er ertragen kann. Da greift der Journalist Christian Baker (Johnny Whitworth) den Fall auf und beginnt zu recherchieren, woran die Polizei offenbar schlicht kein Interesse gezeigt hat. Damit bringt er Ereignisse ins Rollen, die auch den inkompetenten und ebenso überforderten Polizeiapparat wieder zum Handeln zwingen. Doch wie viel Zeit bleibt noch, um Monique zu finden?
Portrait der Hoffungslosigkeit
Vlad Feier kann sich nicht ganz entscheiden, ob sein Film Crime- oder Sozialdrama sein soll. Sein Drehbuch wirkt oft wie der Aufsatz eines ambitionierten Schülers über ein brennendes gesellschaftliches Thema. Das Portrait der Hoffnungslosigkeit in so einem tragischen Fall überwiegt jedenfalls und zieht sich durch alle Ebenen des Vermisstendramas: die Familie des Opfers wird alleine gelassen, die Polizisten sind maßlos überfordert. Auch die gesellschaftliche Komponente ganz im Sinne der "Black Lives Matter"-Bewegung spielt eine nicht unwesentliche Rolle. Obwohl der Film auf einem wahren Fall beruht, erscheint es aber – zumindest aus europäischer Sicht – übertrieben wie inkompetent die ermittelnden Polizisten agieren. Die oft platten Dialoge tragen dazu ihren Teil bei.
Starke Momente hat der Film aber, wenn die menschlichen Tragödien anhand der Charaktere wortlos zutage treten. Hier hat der Regisseur ein glückliches Händchen für die beiden Hauptrollen bewiesen: Maurice McBae überzeugt ebenso als verzweifelter Vater am Rande des Nervenzusammenbruchs wie Johnny Whitworth als ambitionierter Journalist aus einem besseren Stadtviertel. Die beiden Darsteller tragen den Film über weite Strecken, können aber das teilweise klischeehafte und platte Drehbuch auch nicht immer retten.