Filmkritiken

„Schwarze Milch“: Schwesternliebe in der mongolischen Steppe

Trotz ihres geordneten Lebens in einer deutschen Großstadt kann Wessi (Uisenma Borchu) ihre Vergangenheit nicht hinter sich lassen. Ständig würde sie von ihrer Schwester sprechen, wirft ihr Freund ihr vor. Nach einem Streit packt sie ihren Koffer und reist in die Mongolei, um ihre Familie zu besuchen. Als Kind wurde sie von ihrer Schwester Ossi (Gunsmaa Tsogzol) getrennt und versucht nun wieder Kontakt zu ihr aufzubauen. Abgeschnitten von jeglicher Zivilisation taucht Wessi in das Nomadenleben in der Wüste Gobi ein.

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Klein aber fein

Schwarze Milch“ ist der zweite Spielfilm, bei dem die in der Mongolei geborene und in Deutschland aufgewachsene Borchu Regie, Drehbuch, Produktion und Schauspiel in einem übernimmt. Eine Mammutaufgabe, die sich einzig durch die reduzierten technischen Mittel und dem dokumentarischen Kamerastil bewältigen lässt. Bei den Dreharbeiten in der mongolischen Steppe wurde sie von ihrer Cousine, die ihre Schwester spielt, und ihrem Vater, der sowohl die Rolle des Vaters im Film übernimmt als auch als Szenenbildner tätig war, unterstützt. Neben einem kurzen Gastauftritt von Franz Rogowski als wütendem Freund, wurden die Nebenrollen mit zahlreichen Laien besetzt.

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Wessi of Mongolia

Eine Jurte auf einer Leinwand zu sehen, ist auch für erfahrene Filmkritiker noch immer ein besonderes Erlebniss. Die unendlichen Weiten der Wüste sind wie gemacht für das Kino und bilden einen Kontrast zu dem oft Millionen von Euro fressenden Produktionsapparat eines Spielfilms, der sich stets um die Aufmerksamkeit des Publikums bemüht. Dieses einfache Bild steht im Zentrum von „Schwarze Milch“. Man taucht in eine fremde Welt ein, die man sonst nur bei kurzen Ausschnitten in den Abendnachrichten sieht, und erkennt, wie könnte es auch anders sein, dass die dort lebenden Menschen uns gar nicht so unähnlich sind.

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Milch und Honig

Das Drama ist weder stilistisch perfekt noch dramaturgisch besonders raffiniert, aber kreiert eine Atmosphäre, in die man sich gerne hineinfallen lässt. Durch den dokumentarischen Zugang der Filmemacherin kommt man in den Genuss von kleinen Glanzmomenten, die einem noch lange in Erinnerung bleiben. Borchu bricht auch mit dem Klischee, dass traditionellere Gesellschaften in Harmonie mit der sie umgebenden Natur leben und weltliche Statussymbole ablehnen würden. Symbolisch dafür steht die bereits im Titel genannte Milch, die in der westlichen Welt in Ausmaßen jenseits von Gut und Böse produziert wird. Dieses verschwenderische Leben mag zwar für Ossi auf den ersten Blick abschreckend wirken, aber übt dennoch eine Faszination auf sie aus.

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Vergangenheitsbewältigung

Die Erzählung der beiden Schwestern gleicht einer Metapher über die Zerrissenheit einer emigrierten Generation, deren größter Konflikt in ihr selber zu stecken scheint. Trotz der emotional aufgeladenen Grundsituation kippt das Drama nie in den Kitsch, sondern schafft es durch humorvolle Momente stets seine Glaubwürdigkeit zu bewahren. „Schwarze Milch“ feierte seine Premiere im Panorama der diesjährigen Berlinale und zeigt ein Leben, das nicht weiter weg von Cocktails im Berliner Zoo Palast sein könnte.