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Filmkritiken

Schneewittchen-Filmkritik: Steriles neues Märchen mit CGI-Zwergen

Mit diesem Märchen hat alles angefangen – nicht etwa für die Brüder Grimm, aber für Walt Disney, denn 1937 brachte er mit "Schneewittchen" den ersten animierten abendfüllenden Langfilm heraus, dem noch viele weitere folgen sollten. Man kann ihn ohne Übertreibung den wichtigsten Animationsfilm aller Zeiten nennen. Kein Wunder also, dass man bisher von einem Remake die Finger gelassen hat. Wenn nun fast 90 Jahre später doch noch eine Realverfilmung erscheint, hat das nicht nur Zustimmung hervorgerufen, sondern sogar schon lange vor Kinostart Anlass für etliche Kritikpunkte und Kontroversen geboten.

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Drei kritische Stimmen im Vorfeld

Ich greife nur die drei wichtigsten Vorwürfe hervor: Das neue Schneewittchen Rachel Zegler (berühmt durch Spielbergs "West Side Story"-Remake) fand den Originalfilm thematisch veraltet: Sie wollte nicht, dass die Märchenprinzessin völlig passiv bleibt und von einem Mann gerettet werden muss. Dafür kassierte sie prompt den Vorwurf, eine anti-feministische Einstellung zu vertreten. 

"Game of Thrones"-Star Peter Dinklage hingegen hatte dem Projekt Scheinheiligkeit vorgeworfen, weil man sich durchs Casting einer Latina-Schauspielerin in der Hauptrolle zwar fortschrittlich zeigen wolle, aber dann dennoch eine "verdammt rückständige Story über sieben Zwerge, die zusammen in einer Höhle leben" erzähle. 

Schließlich kritisierte der Sohn des damaligen Regisseurs David Hand in einem Interview das völlig andere Konzept und sparte nicht an heftigen Worten, die in der Bemerkung gipfelten: "Walt Disney würde sich im Grab umdrehen." Was ist also dran an der neuen "Snow White"-Version – behalten Freude oder Enttäuschung die Oberhand?

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Ikonische Szenen und viel Neues

Regisseur Marc Webb hätte sich die Aufgabe ja leicht machen können und bloß möglichst viele der klassischen Szenen, die sich in unser Gedächtnis eingebrannt haben, unverändert übernehmen müssen  – wie etwa die gigantischen Schatten der Zwerge auf einer Felswand, der Diamant vor Dopeys Auge, Tiere in Schneewittchens Begleitung, die unheimlichen Bäume im Wald oder das Maskengesicht im Zauberspiegel. All das werden wir tatsächlich wiederfinden, aber das Neue überwiegt und über weiter Strecken hat dieses Snow White kaum noch etwas mit der Vorlage zu tun. Das trifft auch musikalisch zu: Jeff Morrow unvergesslicher Original-Soundtrack wurde durch neue Songs von Benj Pasek und Justin Paul angereichert, aber unter diesen Kompositionen finden sich keine zündenden Melodien.

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Robin Hood im Zwergenwald

Nach einem echten Prinzen werden wir hier vergeblich Ausschau halten. Stattdessen treffen wir einen königstreuen Widerstandskämpfer, der als Robin Hood im Zwergenwald seine Anhänger um sich schart, falls er nicht gerade als edler Dieb in den Palast eindringt, um Kartoffeln zu klauen. Bei dieser neuen Figur hat offenbar ein Werk wie "Snow White and the Huntsman" Spuren hinterlassen – richtig blutig wird es aber selbstverständlich nie.

Ein Rätsel bleibt, warum man sich für CGI-Zwerge entschieden und nicht reale Schauspieler verwendet hat, wo es sich doch um eine Realverfilmung handelt. Noch merkwürdiger wird es, sobald in einer Nebenrolle auf einmal doch ein kleinwüchsiger Darsteller auftaucht - als wäre das von Disney eine reine Alibifunktion gewesen. Und sollte man sich mit den Computer-Zwergen trotzdem  angefreundet haben, erwartet uns dann ein echter Schock: Wenn Dopey aka. Seppl plötzlich seine Stimme findet, ist das etwa so unglaublich, als würde Harpo Marx (sein tatsächliches Vorbild) plötzlich losplappern.

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Zegler bekommt viel mehr zu tun

Ganz falsch liegt Zegler mit ihrer Kritik am passiven Mädchen ja nicht: Nachdem das Schneewittchen von 1937 am Ende vom Prinzen wachgeküsst wird, hat sie nichts mehr zu tun, als sich auf dessen Pferd zu schwingen und kurz von den Zwergen Abschied zu nehmen, bevor wir sie aus den Augen verlieren. Das wirkte schon als ziemlich lieblos hingehudeltes Verlegenheitsfinale. 

2025 ist alles anders: Immerhin darf das Mädchen auch hier durch den Kuss der echten Liebe zu neuem Leben erweckt werden – aber dann geht es mit den Änderungen los. Schließlich steht noch eine kampflose Machtübernahme im Königreich bevor. Nur mit Gesang und netten Worten ausgerüstet, tritt Schneewittchen der üblen Stiefmutter entgegen und beweist, dass der Film zu Recht ihren Namen im Titel trägt. Das Schicksal der bösen Königin ist dann ebenfalls ein abweichendes.

Generalüberholtes Märchen

Das klassische Schneewittchen wurde also zeitgemäß aufgepeppt und generalüberholt – doch das haben Märchen gar nicht so gern. Natürlich ist das Mädchen nun von seiner Passivität erlöst und wird zur richtigen Volksheldin oder sogar ein von den Toten auferstandener Superstar (oh, Jesus!), aber vom ursprünglichen Zauber des Disney-Originals haben wir uns weit entfernt. Die strahlende Rachel Zegler und eine erfreuliche böse Gal Gadot geben zwar ihr Bestes, aber die Story erweist sich als reichlich steril. Man hätte zumindest die CGI-Zwerge durch echte Personen ersetzen sollen.

Besondere Hervorhebung verdient freilich die verhängnisvolle Frucht: Sie erscheint so groß und rot und schön und saftig, dass jeder von uns ebenfalls sofort hineingebissen hätte. Immerhin gab es für die Besucher der Pressevorführung eine gefahrlose Alternative, denn jeder durfte sich einen harmlosen Apfel nehmen.

2 1/2 von 5 in der Kehle steckengebliebenen Apfelresten

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