"Plötzlich Familie": Adoptieren wir Kinder oder Probleme?
Von Franco Schedl
Kindererziehung ist Schwerarbeit. Warum tut man sich sowas bloß an? Fragen wir doch mal das Ehepaar aus diesem Film. Pete (Mark Wahlberg) und Ellie (Rose Byrne) renoviert baufällige Häuser und beschließt, dass auch ihr Leben eine Generalüberholung nötig hätte. Die Ehe ist bisher kinderlos geblieben (woran das genau liegt wird eigentlich nie erklärt), aber es gibt ja noch andere Möglichkeiten, herauszufinden, ob man gute Eltern abgeben würde. Die beiden erwägen, ein Kind zu adoptieren.
Gute Vorsätze
Doch dann kommt alles ganz anders, denn aus dem vorgesehenen einen Kind werden plötzlich drei: die Halbwüchsige Lizzy sowie ihre beiden kleineren Geschwister Juan und Lita ziehen bei ihnen ein und stellen ihr bisheriges Leben auf den Kopf. Noch dazu haben Ellies Verwandte die größten Bedenken, weil diese Kinder nicht nur einen sogenannten Migrationshintergund aufweisen, sondern aus einer echten Crack-Familie stammen: die drogensüchtige Mutter hat vor ein paar Jahren das Haus abgefackelt und ist im Gefängnis gelandet (und über den Vater ist gleich gar nichts bekannt).
Viele Probleme
Während sich die frischgebackenen Adoptiveltern im neuen Glück sonnen, lassen die Konflikte nicht lange auf sich warten: der ängstliche Junge ist fürchterlich ungeschickt und sich selber im Weg, was zu pausenlosen Unfällen führt; das kleine Mädchen ernährt sich nur von Kartoffelchips und kann sehr eigensinnig sein – sobald etwas nicht nach ihrem Willen geht, wird sie unausstehlich; die 15jährige Lizzy hingegen steckt in der Pubertät, was ohnehin schon alles sagt, und sehnt sich nach ihrer leiblichen Mutter, weshalb es ihr schwer fällt, Pete und Ellie gegenüber echte Gefühle zu zeigen. Das Unverständnis zwischen den gutwilligen Erwachsenen und den Kindern nimmt manchmal direkt absurde Züge an und dennoch wirkt alles, wie aus dem Leben gegriffen.
Ohne Weichzeichner
Im Gegensatz zu vielen anderen Hollywoodkomödien wird hier nicht pausenlos der Weichzeichner zum Einsatz, sondern echte Probleme werden angesprochen und Schattenseiten nicht ausgespart. Regisseur Sean Anders (von dem die beiden „Daddy’s Home“-Filme stammen) kann diese Geschichte wohl deshalb so glaubwürdig erzählen, weil er auf eigene Erlebnisse zurückgreift. Wir lernen viele kauzige doch zutiefst glaubwürdige Charaktere mit all ihren kleinen Schwächen und seltsamen Angewohnheiten kennen (manche von ihnen haben aber auch einfach bloß einen großen Knall). Scharf gezeichnet sind zum Beispiel die verschiedenen Typen aus dem Adoptionskurs, aber auch die weitverzweigte Verwandtschaft der beiden Hauptfiguren kann sich sehen lassen - allen voran Petes resolute Mutter, während seine Schwiegermama das genaue Gegenteil dazu ist; und Octavia Spencer hat als Adoptions-Expertin Herz und Zunge auf dem rechten Fleck. Immerhin zeichnet sich „Plötzlich Familie“ auch durch witzig-intelligente Dialoge aus, und wir werden den Film bestimmt gerne in Form einer Kinokarte adoptieren.
4 von 5 kindlichen Tobsuchtsanfällen