Filmkritiken

"Nightmare Alley" auf Disney+: Blutroter Film Noir

Ehrgeiz, Intrigen, Betrug, Geheimnisse, Gewalt, tödliche Gefahr, undurchsichtige Frauen, die ihre eigenen Ziele verfolgen und allen in den Rücken fallen – willkommen in der Welt des Film Noir!

Zu seinen ersten Langfilm nach "The Shape of Water" hat sich Guillermo del Toro durch einen klassischen Krimi aus dem Jahr 1946 anregen lassen und für das Projekt gleich acht Oscar-nominierte DarstellerInnen vor die Kamera geholt.

William Lindsay Greshams Roman "Nightmare Alley" wurde bereits 1947 mit Tyrone Power und Joan Blondel in den Hauptrollen verfilmt und trug damals auf Deutsch den wesentlich weniger eindrucksvollen Titel "Der Scharlatan". Del Toro orientiert sich in seiner aktuellen Version aber gar nicht so sehr am früheren Film, sondern bleibt viel näher an der Buchvorlage.

 

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Bradley Cooper liest Gedanken

Bradley Cooper spielt Stanton Carlisle, einen mittellosen Mann, der auf einem Jahrmarkt strandet und vom feinen Leben träumt. Weil ihn die Künste der Hellseherin Zeena (Toni Collette) und ihres Mannes Pete (David Strathaim) stark beeindruckt haben, lässt er sich von ihnen zum Mentalisten ausbilden und plant, seine neuerworbenen Fähigkeiten gewinnbringend einzusetzen.

Gemeinsam mit seiner Freundin Molly (Rooney Mara) will er Einfluss auf die reichsten New Yorker ausüben, indem er mit ihren Wünschen und Ängsten spielt, und versichert sich dabei auch noch der Hilfe einer Psychiaterin (Cate Blanchett).

Doch ab dann beginnt für ihn leider eine gänzlich unerwartete Wendung zum Schlimmen. Obwohl ihn die Tarot-Karten eigentlich vorgewarnt hätten, will er selber nicht daran glauben und muss erst auf die harte Tour erfahren, dass man seinem Schicksal nicht entgehen kann.

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Leben auf dem Rummelplatz

Um diese düstere Story voll tragischer Folgerichtigkeit möglichst effektvoll zu erzählen, stehen del Toro 150 Minuten zur Verfügung. Er nutzt diese Dauer ökonomisch auf geradezu perfekte Weise, indem er die Spannung langsam steigert und viel Wert auf eine stimmige Vorgeschichte legt.

Besonders während der ersten Stunde ist er ganz in seinem Element und lässt vor unseren Augen eine versunkene Welt wiederauferstehen, wie man sie bereits von seinen früheren Werken her kennt: Eine Mischung aus Zirkus, Jahrmarkt und Freak-Show, wo das Grausig-Unheimliche und Bizarre dem Anmutig-Schönen oder Melancholischen nahe benachbart sind.

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Tragische Freak-Show

Wir sehen Schlagen-Menschen, Spinnen mit Frauenköpfen, einen Wolfsmann mit behaartem Gesicht, ein Mädchen, dessen Körper vor Elektrizität Funken schlägt, in einem Gefäß schwimmt das Präparat eines deformierten Säuglings – und dann gibt es noch den sogenannten "Geek", einen wilden Mann, der Hühnern vor Publikum die Köpfe abbeißt.

Als Kraftlackel erleben wir übrigens del Toros Lieblingsdarsteller Ron Perlman, und der ausgefuchste Rummel-Direktor wird vom wie üblich grandiosen Willem Dafoe gespielt.

Bradley Cooper durchläuft eine Vielzahl an unterschiedlichsten Stadien und macht auch in seinem Erscheinungsbild eine starke Wandlung durch, während Rooney Mara zunächst mit mädchenhaftem Charme als verkörperte Unschuld voll Lebenslust erscheint, bevor auch ihr übel mitgespielt wird.

 

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Gebrochene Figuren

Egal, ob arm oder reich, ob Schausteller oder Millionär, jede Figur, die uns hier begegnet, wurde durch das Leben schwer gezeichnet und trägt mitunter auch gut sichtbare Narben am Körper – wie zum Beispiel Cate Blanchett als eiskalte Psychologin. Von ihrem ersten Auftritt an wird sie als gefährliche Person präsentiert, die in der Handtasche eine Schusswaffe mit sich führt und auf Konfrontationskurs zu dem Mentalisten geht.

Als es dann in ihrer Praxis zum Kräftemessen zwischen den beiden kommt und sie einander mit unterschiedlichen Psycho-Künsten die dunkelsten Geheimnisse zu entlocken versuchen, ist das einer der Höhepunkte des Films.

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Höllische Symbole

Dass auch Stanton Schuld auf sich geladen hat, macht uns del Toro von der ersten Filmsekunde an deutlich und verteilt über sein Werk ein wohldurchdachtes Verweissystem von Symbolen und Leitmotiven.

In Stans Träumen lodert immer wieder das Höllenfeuer und als er gegen Anfang auf der Suche nach dem geflohenen wilden Mann ein Schreckens-Kabinett durchqueren muss, empfängt ihn ein Teufelsrachen. Der dahinterliegende mit Spiegeln und künstlichen Augen geschmückte Raum ist dann eine Veranschaulichung all jener Todsünden, deren er sich bald ebenfalls schuldig machen wird.

Und wenn sich der Mann in einer späteren Notsituation hinter Hühnerkisten versteckt, erscheint das im Rückblick erst recht sehr vielsagend. Sobald man die Nightmare Alley einmal betreten hat, bleibt es eben nicht mehr bei vergossenem Hühnerblut, sondern auch das von Menschen wird fließen.

Das Blut ist hier wirklich rot, da dieser Film Noir in den kräftigsten Farben erstrahlt, aber dennoch eine tiefdunkle Geschichte erzählt.

4 ½ von 5 tödlichen Alkoholrationen.

"Nightmare Alley" ist ab 16. März auf Disney+ Star verfügbar.