Filmkritiken

"Mulan" bei Disney+: Opulentes Action-Märchen mit viel Pathos

Spätestens seit dem gleichnamigen Disney-Zeichentrickfilm von 1998 ist die Geschichte der jungen Chinesin Mulan auch in westlichen Breiten bekannt. Trotzdem eine kurze Zusammenfassung der fernöstlichen Legende, die auf einer alten chinesischen Ballade beruht – allerdings frei nach Disney:

Das Reich der Mitte wurde immer wieder von zentralasiatischen Reitervölkern bedroht. Die Legende erzählt, dass der Kaiser von China zur Verteidigung des Reiches gegen die Hunnen eine Armee aufstellte. Jede Familie musste einen Mann für den Kriegsdienst stellen. Doch die junge Frau Mulan war das einzige Kind ihres Vaters, der einst ebenfalls Soldat in der kaiserlichen Armee war. Der alte Mann hätte selbst noch einmal in den Krieg ziehen müssen. Seine Tochter verkleidete sich daher als Mann und zog – ohne das Wissen ihrer Familie – anstatt ihres Vaters in den Krieg. Zum Schutz der geliebten Tochter werden die Geister der Vorfahren beschworen, die aus Versehen den schusseligen Drachen Mushu als ihren "Schutzengel" auswählen. Dessen Ruf als Familienwächter hat etwas gelitten. Um ihn wiederherzustellen, plant der Zauberdrache eine glorreiche Kriegsheldin aus Mulan zu machen – was ihm letztendlich auch gelingt.

Soviel zur Geschichte des Zeichentrickfilms. Diesmal geht Disney die Sache allerdings vollkommen anders an. Im Jahr 2020 ist "Mulan" kein Zeichentrickfilm, sondern ein episches Action-Märchen.

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Märchenhaftes Realfilm-Actionepos

Unter der Regie der Neuseeländerin Niki Caro ("Whale Rider") zieht diesmal Yifei Liu als Mulan statt ihres Vaters Hua Zhou (Tzi Ma) in den Krieg. Sie ist diesmal die älteste von zwei Töchtern des stolzen Vaters, der sie in den Kampfkünsten unterrichtet hat. Nicht nur der Heiratsvermittlerin ist ihre ungestüme Art, die sich für ein Mädchen nicht ziemt, ein Dorn im Auge. Doch ihr Vater liebt seine mutige Tochter so wie sie ist. Ihm bricht beinahe das Herz als er ihr sagen muss, dass sie ihre Rolle als Tochter finden muss – und diese Rolle sieht traditionell vor, der Familie Ehre durch Heirat zu bringen, nicht als Kriegerin. Als die Gesandten des Kaisers im Dorf Männer für den Kriegsdienst rekrutieren, nimmt daher der alte Vater die Einberufung an. Doch in der Nacht nimmt Mulan seine Rüstung, sein Pferd und das Familienschwert und reitet fort.

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Da Mulan die Todesstrafe droht, wenn in der Armee ihr wahres Geschlecht entdeckt wird, bittet der Vater den Phoenix – das Wappentier der Familie – um Schutz für seine Tochter. Der feuerrote Vogel weist ihr daraufhin immer wieder den Weg.

Währenddessen marschieren die Hunnen unter der Führung von Bori Khan (Jason Scott Lee) auf die Hauptstadt zu. Die Reiterhorden erobern eine Stadt nach der anderen. Dabei werden sie von der Hexe Xian Lang (Li Gong) unterstützt. Sie dient dem grausamen Bori Khan, der den Kaiser (Jet Li) töten will.

 

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Schöne Bilder und viel fernöstliches Pathos

Bei "Mulan" hat Disney einen interessanten neuen Weg eingeschlagen. In den USA ist das fernöstliche Action-Märchen erst ab 13 Jahren freigegeben. So eine hohe Altersfreigabe ist auch für Disney-Realfilm ein Novum. Zurückzuführen ist das wohl auf die Action-reichen Kampfszenen, bei denen es auch vorkommt, dass dann und wann Kehlen aufgeschlitzt werden. Gewalt wird aber nur angedeutet, nicht wirklich gezeigt. Dasselbe gilt auch für romantische Liebe, von Sex ganz zu schweigen. Die Anziehung zwischen den Geschlechtern gibt hier lediglich die Gelegenheit zum Kichern. So bleibt auch dieses Disney-Abenteuer ein keuscher und gewaltreduzierter Film für die ganze Familie, zumindest, wenn die Kinder nicht mehr ganz klein sind.

Dafür wird beim Pathos nicht gespart. Zu schönen Bildern wird ein fernöstliches Drama rund um Liebe und Ehre in der Familie heraufbeschworen. Zwar enthält die Geschichte durchaus emanzipatorisch-feministische Elemente – nicht nur bei Mulan, auch bei der Hexe Xian Lang –  , aber auch auf die Glorifizierung von Obrigkeit und Patriotismus wird nicht vergessen. Kurz gesagt: "Mulan" ist ganz auf asiatische Märkte, insbesondere China, zugeschnitten. Das ist nicht nur am hemmungslosen Drücken auf die Tränendrüse zu erkennen, sondern auch an der schemenhaften Erzählweise, die eher an Bollywood als an Hollywood erinnert.

Diese Strategie könnte sich bezahlt machen. Denn in China wird "Mulan" in die Kinos kommen, während die Coronavirus-Pandemie den Kinoliebhabern im Westen einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Disney hat sich entschieden, "Mulan" nicht ins Kino zu bringen und den Film stattdessen auf der eigenen Streaming-Plattform Disney+ zu veröffentlichen. 

Das ist schade, denn die große Leinwand hätte der Film durchaus verdient. Trotzdem ist "Mulan" insgesamt ein opulentes Action-Märchen und eine eher gelungene Realverfilmungen alter Disney-Zeichentrick-Klassiker.

 

"Mulan" ist ab 4. September bei Disney+ als spezielles Kaufangebot für 21,99 Euro zu sehen. Ab 4. Dezember 2020 ist der Film auch ohne zusätzliche Kosten für alle Abonnenten des Streamingdienstes verfügbar.