Filmkritiken

"Marie Curie – Elemente des Lebens": Eine streitbare Frau entdeckt die Radioaktivität

Das Leben der polnischen Wissenschaftlerin Marie Curie scheint Drehbuchautoren zu faszinieren. Hat es doch erst vor vier Jahren einen Kinofilm über sie gegeben. Diese französisch-deutsch-polnische Koproduktion konzentrierte sich damals aber eher auf eine Episode aus ihrem Privatleben: Als 1911 ihr Verhältnis mit einem verheirateten jüngeren Mann bekannt wurde, der zugleich ihr Schüler war, startete die französische Presse – in einer widerlichen Mischung aus Chauvinismus, Machismo und Antisemitismus – eine mediale Hetzkampagne.

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Forschergeist und Starrsinn

Im aktuellen Film, der nach einer Graphic Novel entstanden ist, stellt Marjane Satrapi ("Persepolis") die Curie-Biografie auf eine breitere Basis und zeigt vor allem Maries (Rosamund Pike) wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Ehemann Pierre (Sam Riley).  Bevor es überhaupt zu Teamwork und Eheschließung kommt, hat der Mann viel Überzeugungsarbeit zu leisten, denn die gebürtige Marie Sklodowska erweist sich als eine starke Frau, die genau weiß, was sie will und vom Forschergeist besessen ist; doch ihre Überzeugungen äußern sich manchmal in regelrechtem Starrsinn, der sich bis zur Beleidigung des Gegenübers steigern kann.

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Rückblenden und Vorblicke

Dabei scheint die Regisseurin zunächst eine eher konventionelle Erzählweise zu bevorzugen, denn als die sterbende Curie 1934 ins Krankenhaus eingeliefert wird, beginnen vor ihrem geistigen Auge Erinnerungsbilder aufzublitzen – wodurch der Einstieg für lange Rückblenden gegeben wäre. Diese wenig überraschende Struktur wird jedoch durch ein paar ungewöhnliche Einfälle gesprengt. Tatsächlich umfasst die Handlung eine Spanne von rund 40 Jahren in Maries Leben und greift aus bestimmten Gründen noch viel weiter in die Zukunft, denn die Auswirkungen der Radioaktivität werden durch historische Schlüsselmomente anschaulich gemacht. Während zum Beispiel Pierre Curie 1903 seine Nobelpreisrede hält, bekommen wir in Gegenschnitten den ersten Atombombenabwurf eingeblendet; später wird ein Atombombentest vor Publikum in Nevada gezeigt; ebenso wie der Einsatz eines Feuerwehrteams im brennenden Reaktor von Chernobyl. Obwohl man zunächst durch diese scheinbar unmotivierten Gegenüberstellungen etwas irritiert sein könnte, merkt man gerade solchen Szenen die Herkunft von einer Graphic Novel an – sie sind extrem visuell gedacht und lassen sich effektvoll in einen Film integrieren. Im Moment von Curies Sterben verquicken sich dann sogar die Zeitebenen und die Frau betritt nacheinander Krankenzimmer, in denen die Opfer von Hiroshima und Chernobyl liegen.

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Radioaktivität und Krankheit

Nach so vielen Experimenten mit den gefährlichen Substanzen hat die doppelte Nobelpreisträgerin (1903 für Physik – 1911 für Chemie) bei Übernahme der Auszeichnung leider nicht nur vor Freude gestrahlt. Tatsächlich musste sie für den ständigen Umgang mit Radioaktivität einen hohen Preis zahlen und hatte Jahrzehnte lang mit Krankheiten zu kämpfen. Immerhin lässt Marie eine grünleuchtende Phiole mit dem von ihr entdeckten Radium niemals aus der Hand und hat sie sogar im Bett bei sich. Auch Pierre Curie war vor seinem frühen Unfalltod – er geriet 1906 unter eine Kutsche – bereits schwer gezeichnet und hustete Blut. Doch auch die positiven Einsatzmöglichkeiten von Radioaktivität werden durch ein neuartiges Verfahren in der Krebsbehandlung angedeutet – als Beispiel dient ein Junge im Jahr 1957. Aber bereits Marie hatte gemeinsam mit ihrer Tochter Irène (Anya Taylor-Joy) im Ersten Weltkrieg eine mobile Röntgenstation entwickelt, die auf den Schlachtfeldern unterwegs war und viele Soldaten vor überflüssigen Amputationen bewahren konnte.

Satrapis Film ist somit bestens geeignet für all jene, die sich über Leben und Leistungen der großen Wissenschaftlerin Marie Curie informieren wollen. Außerdem bietet das Werk Rosamund Pike in der Titelrolle viele Möglichkeiten, ein breites Gefühlsspektrum an den Tag zu legen. Und drittens wurde die gezeichnete Vorlage dermaßen ansprechend umgesetzt, dass sich die Grenzen eines herkömmlichen Biopics verschieben.

4 von 5 Phiolen mit grünleuchtenden Substanzen