Filmkritiken

"Mank" auf Netflix: Rache an Hollywood-Eliten

Sechs Jahre nach "Gone Girl“ meldet sich Regisseur David Fincher mit einer etwas ungewöhnlichen Charakterstudie zurück. In "Mank“ erzählt er die Geschichte von Drehbuchautor Herman Mankiewicz, der 1940 das Drehbuch für "Citizen Kane“ schrieb. Der Klassiker gilt als cineastisches Meisterwerk und einer der besten Filme aller Zeiten. Bei dem Epos rund um einen amerikanischen Zeitungsmogul führte Orson Welles Regie und stand auch als Hauptdarsteller vor der Kamera. Bis heute wird diskutiert, ob Welles überhaupt einen wesentlichen Beitrag zum Drehbuch leistete oder ob er mit einer Nennung als Co-Autor nur sein Image als Wunderkind pflegen wollte. 

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Kunst als Rache

Die Geschichte von "Mank“ wird auf zwei Zeitebenen erzählt und fokussiert sich nicht nur auf den Schreibprozess von Mankiewicz im Jahr 1940. Vielmehr werden Querverbindungen zu Inspirationsquellen für "Citizen Kane“ gezogen und dabei die Machenschaften der großen Hollywood-Studios am Anfang der 30er Jahre beleuchtet. Die politische Situation in Kalifornien wird dabei maßgeblich von falschen Nachrichten und Bildmanipulationen der Film-Tycoons beeinflusst – heute würde man dazu Fake-News sagen. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, wirkt Mankiewicz Arbeit am Drehbuch wie eine Rache an seinen früheren Peinigern. Aus all seiner Wut entsteht sein bisher bestes Werk, das es vor einem skrupellosen Egomanen zu retten gilt.

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Ein Film für die Leinwand

Wie viele große Regisseure hat Fincher für sein neustes Projekt Netflix als neuen Produktionspartner gefunden. Obwohl der Streaming-Anbieter sein Programm für die ZuseherInnen in den eigenen vier Wänden anbietet, ist "Mank“ ganz klar für die große Leinwand produziert worden. Es wurde mit hochauflösenden Aufnahmen gearbeitet, die in der Postproduktion stark bearbeitet wurden, sodass der Film aussieht, als wäre er vor 80 Jahren gedreht worden. Hier sieht man auch, dass Schwarz-Weiß nicht gleich Schwarz-Weiß ist. Im Gegensatz zu den meisten modernen Schwarz-Weiß-Filmen, erinnert "Mank“ tatsächlich an die damalige Zeit, da viel Arbeit in die Aufweichung der harten Konturen gesteckt wurde, die den modernen Kameras inhärent sind. Auch der Ton wurde einer speziellen Bearbeitung unterzogen, sodass er rauscht, knackt und nicht immer verständlich ist. Deshalb ist einem nicht englischsprachigen Publikum zu empfehlen, den Film mit Untertiteln zu schauen.

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Herzensprojekt

Das Drehbuch für den Film schrieb David Finchers Vater, der 2003 an Krebs verstorben ist. Man merkt diesem Film an, dass es ein Herzensprojekt des Regisseurs war. Ähnlich wie Alfonso Cuaron mit "Roma“, pfeift Fincher auf erzählerische Konventionen und macht den Film, den er selber sehen will. Für eingefleischte Blockbuster-Fans und Liebhaber der früheren Fincher-Thriller kann das auf den ersten Blick irritierend sein. Es geht hier nicht um spannungsgeladene Kriminalfälle oder raffinierte Wendungen, sondern um zwischenmenschliche Kränkungen im Kontext einer sich im politischen Umbruch befindenden Welt.

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Körperliche Transformation

In der Hauptrolle ist Gary Oldman zu sehen, der sich für seine Gewichtszunahme Tipps von Christian Bale holte und den trinkenden Drehbuchautor mit jeder Pore seines Körpers glaubwürdig darstellt. Fincher bietet ihm mit Referenzen zu großen Werken der Literatur Platz für ausschweifende Monologe, die für jeden Darsteller ein Geschenk sind.

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Mutig

"Mank“ ist kein Film, den man sich am Nachmittag während dem Kochen anschauen kann. Die Macher setzen einiges an Vorwissen voraus, weshalb es sicher nicht schaden könnte, sich davor "Citizen Kane“ anzuschauen. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass "Mank“ kommerziell gesehen einer der schwächsten Filme von David Fincher wird, aber alleine für den Mut, eine derart wichtige Geschichte auf so eine unkonventionelle Art zu erzählen, hätte er sich schon einen Oscar verdient.