Filmkritiken

"Little Women": Zeitlose Mädchensorgen aus den 1860er Jahren

Schauspielerin und Regisseurin Greta Gerwig hat ja Saoirse Ronan bereits mit „Lady Bird“ zu einer Oscar-Nominierung verholfen. In ihrem neuen Film „Little Women“ hat sie zwei Jahre später genau das schon wieder fertiggebracht. Diesmal stehen aber auch noch andere junge Frauen im Mittelpunkt eines Historiendramas – zum Beispiel Emma Watson. Als Vorlage diente das berühmte, stark autobiografisch gefärbte Jugendbuch der Amerikanerin Louisa May Alcott aus dem Jahr 1868; ein Stoff, der bisher rund ein dutzend Mal für Kino oder TV verfilmt wurde (unter anderem 1949 mit Elizabeth Taylor oder 1994 mit Winona Ryder als "Betty und ihre Schwestern").

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Schwierige Selbstverwirklichung

Es braucht Zeit, um sich hier zurechtzufinden- zumindest bei mir war es so. Aber vermutlich bin ich auch mit falschen Erwartungen an diesen Film herangegangen, da ich Alcotts Roman nicht kannte und eher mit einer spannenden Geschichte gerechnet habe, bei der die vier Schwestern auf sich allein gestellt Abenteuer während des Bürgerkriegs erleben. Stattdessen bleibt der Krieg hier aber fast völlig ausgeblendet und ist höchstens kurz durch die Briefe des Vaters präsent. Die "kleinen Frauen" lernen Freuden und Probleme kennen, die man mit ihrer Altersstufe in Verbindung bringen würde:  Tanzvergnügen, erste Flirts, kleine Streitereien, die Suche nach Selbstverwirklichung. Denn jede der vier jungen Damen hat künstlerische Anlagen: Jo (Saoirse Ronan) schreibt Geschichten, Meg (Emma Watson) steht gern auf der Theaterbühne, Beth (Eliza Scanlen) spielt vorzüglich Klavier und Amy (Florence Puph) malt. Doch da sie nun einmal in den 1860er Jahren leben, ist es für eine Frau nicht leicht, aus diesen Talenten tatsächlich etwas zu machen und den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen. Jo versucht sich in New York als Autorin durchzuschlagen, wird jedoch durch einen Brief wieder heimgerufen, da Beth schwer erkrankt ist. Diese Zeitebene wird jedoch durch häufige Rückblenden unterbrochen, an die man sich ebenfalls erst gewöhnen muss, weil man zunächst den Eindruck von einer mehr oder weniger zufälligen Aneinanderreihung vom Alltagserlebnissen der Frauen erhält. Doch dann fügen sich die Rückschauszenen auf das frühere Leben vor sieben Jahren plötzlich sehr gut in die Handlung ein und verleihen der Geschichte noch eine zusätzliche Dimension.

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Heirat oder Tod

Die Handlung wird immer mehr gestrafft und erlebt einige dramatische Höhepunkte: begrabene Hoffnungen, verpasste Chancen, gebrochene Herzen und der Mut zum Weitermachen, um dem ersehnten Leben trotz allen Rückschlägen noch nahe zu kommen. Zuletzt fließen dann Kunst und Realität regelrecht ineinander und wir bekommen sozusagen aus erster Hand mit, wie ein autobiografischer Roman entsteht. Es scheint sogar, dass der Verleger Einfluss auf die Schlusswendung nimmt, denn für ein Werk aus der entsprechenden Zeit wäre es undenkbar, wenn die weibliche Heldin zuletzt nicht vor den Traualtar tritt (als einzige Entschuldigung könnte höchstens ihr Tod gelten). Unterstützt werden die vier Heldinnen durch eine selbstlose Mutter, die sich gerne als Krankenpflegerin betätigt oder für arme Nachbarn sorgt. In dieser Rolle glänzt Laura Dern und ihr aufopferungsvoller Einsatz hat sich gelohnt, denn sie wurde als beste Nebendarstellerin für einen Oscar nominiert. Einen weiteren weiblichen Bonus hält der Film in Gestalt von Meryl Streep als unabhängiger reichen alten Tante parat.

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Gerwig ist ein großes feminines Zeitgemälde gelungen, das nach einigen Anlaufschwierigkeiten einen eigentümlichen Reiz entwickelt und uns in seinen Bann zieht.  Außerdem spielen hier alle Darstellerinnen dermaßen gut, dass man am Ende den Eindruck hat, die Figuren persönlich zu kennen.

 

 4 von 5 irrtümlich abgeschnittenen Haarlocken