"Kleine Wunder unter Fremden": Kitschiger geht's nicht
Von Oezguer Anil
Auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann landet Clara (Zoe Kazan) mit ihren beiden Söhnen auf den Straßen New Yorks. Gleichzeitig kümmert sich die Krankenschwester Alice (Andrea Riseborough) fürsorglich um ihre Patienten und organisiert in ihrer Freizeit Treffen für depressive Menschen, an denen auch der Ex-Häftling Marc (Tahar Rahim) teilnimmt. Er ist seit wenigen Tagen Besitzer eines schicken russischen Restaurants und versucht sich zurück in die Gesellschaft zu kämpfen. Der Außenseiter Jeff (Caleb Landry Jones) hingegen schafft es nicht länger als eine Woche seinen Arbeitsplatz zu behalten und kämpft ums tägliche Überleben. Trotz aller Hindernisse kreuzen sich die Wege der Protagonisten und ihre Begegnungen stärken ihre Hoffnungen auf eine bessere Zukunft.
Wenig Lichtpunkte
„Kleine Wunder unter Fremden“ versucht ein Gesellschaftsporträt zu zeichnen, in dem es vor allem um Nächstenliebe gehen soll. Trotz der vielen Charaktere behält man hier einen guten Überblick über die Geschichte, ohne sich ständig fragen zu müssen, wer denn gerade welches Problem zu lösen hat – das ist aber leider auch schon das einzig Positive, was man über diesen Film schreiben kann.
Unglaubwürdig
Die einzelnen Dramen wirken viel zu konstruiert als das man sie den Darstellern abkaufen könnte. Die Welt ist böse und wir sind die Guten - auf diesem Prinzip ist das schwache Drehbuch von Lone Scherfig aufgebaut. Jede Figur steht ohnmächtig vor ihren Problemen und hofft auf eine göttliche Erlösung, die mal in Form eines gutaussehenden Restaurantbesitzers und dann wieder als selbstlose Krankenschwester in Erscheinung tritt. Das Drama bedient sich bei den Erzählmustern eines Märchens, aber ist zu sehr in der Realität verankert, um sich auf zu oft verwendeten Genrekonventionen ausruhen zu können.
Zu viel des Guten
Die Inszenierung trieft vor Sentimentalität und nimmt dem Zuseher jegliche Möglichkeit, seine eigenen Gefühle gegenüber dem Gezeigten zu erkunden. Im Eifer, der Dramatik immer noch eins draufzusetzen, verläuft sich die Geschichte in Absurditäten und Klischees, die für ungewollte Lacher sorgen. Einzig Bill Nygh als falscher russischer Kellner sorgt für echte Pointen, von denen dieser Film weitaus mehr gebraucht hätte.
Oberflächlich
Obwohl Lone Scherfig ihr Können bereits mehrfach unter Beweis stellte, ist „Kleine Wunder unter Fremden“ ein kompletter Reinfall. Umso erstaunlicher ist es, dass der Film die heurige Berlinale eröffnen drufte. Ein misslungenes Ensemble-Drama, dessen Botschaft nicht über Binsenweisheiten hinausgeht.