Filmkritiken

"Judy": Das Wunderkind aus Oz ist alt geworden

Dies ist kein Film über Tarzans Lieblingsaffen, sondern über ein singendes Mädchen, das Weltruhm erlangte.  Frances Ethel Gumm, besser bekannt als Judy Garland, trat bereits als Zweijährige erstmals öffentlich auf, bekam ihre erste Filmrolle mit sieben und erhielt mit 18 bei der Oscar-Gala 1940 den Juvenile Award für ihre denkwürdige Rolle als Dorothy in „Der Zauberer von Oz“. Im Privatleben hatte sie weniger Glück und auch mit ihrer Karriere ging es nicht so glanzvoll weiter. 1968, dem Jahr, in dem dieses britische Biopic spielt, kann sie in den USA mit keinen einträglichen Engagements mehr rechnen und nimmt das Angebot zu einer Reihe von Konzertauftritten in London an, obwohl das eine längere Trennung von ihren zwei geliebten Kindern nach sich zieht.

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Lebensende in London

Schwer gezeichnet durch ihre langjährige Abhängigkeit von Schlaftabletten und Aufputschmitteln wird der Europa-Aufenthalt zu einer echten Zerreißprobe für sie: an guten Tagen entfaltet Judy auf der Bühne zwar ihren alten Zauber und erweist sich auch in Interviews als schlagfertig, doch die Konzerte können andererseits furchtbar danebengehen, wenn sie betrunken auftritt, das Publikum beschimpft und sich beim Versuch zu singen nicht einmal auf den Beinen halten kann. Während dieser turbulenten Tage heiratet sie zudem ihren fünften Mann, aber die Beziehung wird auch nicht lange halten. In kurzen - über den ganzen Film verteilten - Rückblenden führt man uns außerdem vor, wie sehr man Judy um ihre Kindheit betrogen hat: vom unerbittlichen Studioboss Louis B. Mayer zum Kinderstar aufgebaut, wurde jeder ihrer Schritte überwacht, sie konnte nicht einmal daran denken, einen Hamburger oder ein Stück Torte zu essen, weil sie laut Vertrag nicht zunehmen durfte; stattdessen fütterte man sie mit Tabletten, was ihre lebenslangen Suchtprobleme bewirkte.  Ein halbes Jahr nach den Londoner Auftritten wird Judy Garland dann erst 47jährig an der Überdosis eines Schlafmittels sterben.

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Ein Bühnenstück als Film

Als Vorlage für Rupert Goolds Biopic diente ein Theaterstück mit dem Titel „End oft the Rainbow“ und tatsächlich merkt man dem Film seine Bühnenherkunft auch allzu deutlich an. Die Geschichte ist nämlich für einen Film etwas zu eintönig aufgebaut– natürlich hat „Judy“ auch anderes zu bieten, doch im Rückblick erscheint es zumindest so, als hätten wir der Hauptfigur die meiste Zeit über dabei zugesehen, wie sie sich trinkend und rauchend im Hotelzimmer verschanzt oder schlaflos im Bett wälzt und sich selbst zugrunde richtet. Eine derartige Veranschaulichung, dass Starruhm große Opfer fordert und ein Leben aufzehren kann, wirkt nicht gerade wie eine sensationell neue Erkenntnis.

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Zellwegers Triumph

Zum Glück wird uns Renée Zellwegers geradezu unglaubliche Verwandlung über manche Schwachstelle hinwegtrösten: in dieser Rolle ist sie kaum wiederzuerkennen, hat ihrem Körper offenbar vieles abverlangt, einerseits extrem abgenommen, andererseits ihre Stimme in Form gebracht -  doch immerhin stehen die Chancen gut, dass sie für solche Entbehrungen und Anstrengungen mit einem Oscar belohnt wird. Auf jeden Fall ist „Judy“ zu einem grandiosen Comeback für Zellweger geworden und auch in anderer Hinsicht machte sich ihr Aufwand bezahlt, denn sie will ein Soloalbum mit ihren Coverversionen von Garland-Hits herausbringen.

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