Filmkritiken

"Joker" auf ORF 1: Joaquin Phoenix brilliert als Killerclown

"What's so funny?"

Diese Frage ist noch das Beste, was Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) passiert, wenn er einen seiner krampfhaften Lachanfälle bekommt. Wenn Arthur nervös ist, muss er lachen. Und er hat ein sehr penetrantes Lachen, fast klingt es wie ein Heulen. In seinem Leben hat er nicht viel zu Lachen. Er ist um die 30, lebt bei seiner pflegebedürftigen Mutter und wirft sieben verschiedene Psychopharmaka gegen seine schwere Depression ein. Ironischerweise arbeitet Arthur als Clown. Immer wieder wird der dünne, psychisch labile Mann auf den Straßen der Großstadt zum Opfer von Gewalt.

Es ist Anfang der 80er-Jahre und die Stadt heißt Gotham City!

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Noch gibt es keinen Batman und auch keinen Joker. Doch in den nächsten zwei Stunden werden wir zu Zeugen, wie Arthur Fleck zu dem Killerclown wird, der mindestens so bekannt ist wie sein maskierter Gegenspieler. Ja, wir befinden uns in einem Superhelden- … ähm … Superschurken-Film. Aber davon ist zumindest anfänglich wenig zu merken.

Regisseur und Co-Drehbuchautor Todd Phillips ("Hangover") zeichnet ein düsteres Bild der Stadt. Aber anders düster als wir das vom DC Extended Universe (DCEU) gewöhnt sind. Mit den grimmigen Comic-Verfilmungen von Zack Snyder ("Batman vs. Superman") hat "Joker" gar nichts zu tun.

 

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Düsterer Realismus als Requisite

Gotham City ist bei Phillips ein sehr realistischer Ort, der an New York City in den 80er-Jahren erinnert. Die Kriminalitätsrate ist hoch, jeder ist sich selbst der Nächste und an allen Ecken und Enden mangelt es der Stadt an Geld. So kommt es auch, dass das Betreuungsprogramm für Arthur dem Sparstift zum Opfer fällt. In Zukunft ist er auf sich alleine gestellt. Keine Medikamente mehr und auch keine Sozialarbeiterin, die ihn betreut. Aber egal, sie hat ihm ohnedies nie zugehört. Niemand hört mehr irgendwem zu. Nur die Starken überleben.

In so einer Situation, ist es keine gute Idee, den Schwachen auch noch eine Schusswaffe zum Selbstschutz in die Hand zu drücken. Das wird Arthurs Arbeitskollege auch noch einsehen müssen, obwohl er es doch nur gut gemeint hat.

 

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"Why so serious?"

Phillips geht an die Sache mit der Comic-Verfilmung sehr ernsthaft heran, zumindest thematisch und visuell. Anders als wir es bei Comic-Verfilmungen oder Superhelden-Filmen gewöhnt sind, kommt die Geschichte von Arthur Fleck als Sozialdrama daher. Die Probleme von Menschen mit psychischer Behinderung werden ebenso thematisiert wie auch die gesellschaftliche Verrohung, soziale Kälte und Vereinsamung.

Die visuelle Aufmachung und cineastische Reminiszenzen an Filme wie "Taxi Driver", "The King of Comedy" oder "Einer flog über das Kuckucksnest" lassen den Eindruck eines tiefgründigen Problemfilms entstehen. Doch letztendlich wird alles immer nur angedeutet. Wir streifen diese Probleme nur, sehen nie wirklich hin. Diese wichtigen sozialen und politischen Themen dienen dem Film nur als Requisite für mehr Realismus. Die Hauptfigur wird dadurch sicherlich glaubwürdiger, doch in der Welt rundherum bleibt alles doch sehr plakativ wie im Comic.

Insofern geht der in den USA (aus verständlichen Gründen, wenn man an den Amoklauf von Aurora denkt) erhobene Vorwurf, durch den Realismus und die Gewaltverherrlichung könnten sich Amokläufer inspiriert fühlen, am Wesentlichen vorbei.

 

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Joaquin Phoenix brilliert als Joker

Apropos Hauptfigur. Damit sind wir bei der Hauptattraktion des Films: Joaquin Phoenix macht "Joker" zum Erlebnis. Er lacht, weint und tänzelt seinen für die Rolle um mehr als 20 Kilogramm erleichterten Körper durch den Film. Sein beeindruckendes, sehr körperbetontes Schauspiel, großartig von Phillips inszeniert und durch die Kamera von Lawrence Sher festgehalten, macht die eigentliche Faszination von "Joker" aus.

Die Frage, die sich aufdrängt, ist natürlich: Ist Phoenix ein besserer Joker als Heath Ledger in "The Dark Knight"?

Die ehrliche Antwort ist: Jein!

Dieser Joker ist völlig anders und auch ganz und gar losgelöst von Batman als seinem identitätsstiftenden Konterpart. Dabei steht der Film übrigens in guter Tradition der Comics. Dieser Joker könnte aus einer tyischen "Elseworlds"-Story von DC stammen. Unter diesem Label wurden Geschichten erzählt, ohne auf die Kontinuität und Historie des restlichen DC-Universums Rücksicht zu nehmen.

Niemand könnte den Joker in diesem Film besser darstellen als Phoenix.

Noch nie gab es eine so realistische Ursprungsgeschichte für den DC-Killerclown. Aber als Superschurke in einem Superhelden-Film, als Widersacher und Antithese von Batman, bleibt Ledger ungeschlagen. Insgesamt betrachtet stehen beide Joker-Darbietungen auf gleich hohem Niveau. Es zu überbieten, auf die eine oder andere Weise, wird für künftige Joker-Darsteller schwierig werden. Die Latte liegt einfach schon sehr, sehr hoch.

"Joker" ist auf ORF 1 am 26. März um 22:20 zu sehen.