Filmkritiken

Familie als Fegefeuer: Großartige Mini-Serie "Haus aus Glas"

Der riesige Kühlschrank ist voll mit Champagnerflaschen. Der großzügige Park vor der Familien-Villa bildet eine Traumkulisse. Am längsten Tag des Jahres feiert Fabrikanten-Tochter Emily (Sarah Mahita) ihre romantische Hochzeit mit dem smarten Chris (Aram Arami). Doch schnell wird klar, dass irgendetwas Bedrohliches mitschwingt.

Das Anwesen ist etwas zu gut gesichert. Zur engsten Familie gesellt sich außer der Standesbeamtin nur ein einziger Freund des Bräutigams. Und wer hat schon eine Braut in Weiß mit Zielfernrohr schießen sehen? Emilys heiß geliebter Bruder Felix (Merlin Rose) reist so widerwillig aus seinem kanadischen Exil an, dass er die Trauzeremonie verpasst. Dann endlich eingetroffen, bewegt er sich im Kreise seiner Lieben wie ein Fremder. Schwester Leo (Morgane Ferru) ist ein Sonnenschein, aber tablettensüchtig. Die hemdsärmelige Älteste Eva (Stefanie Reinsperger) wird in wenigen Stunden eine ihrer schlimmsten Kränkungen erleben.

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Worum geht's in "Haus aus Glas"?

In der grandiosen Miniserie "Haus aus Glas" (9.1., 20.15 Uhr, Das Erste) stürzt die hochherrschaftliche Kulisse wie ein Kartenhaus ein. Denn das Verschwinden eines Familienmitglieds reißt sehr alte Wunden auf. Es wird nicht lange dauern, bis jemand eine Pistole zücken wird. Der hochkarätig besetzte Thriller-Sechsteiler (Buch: Alain Gsponer, Drehbuch: Esther Bernstorff) funktioniert wie ein Kammerspiel, auch wenn sich der Spielraum immer wieder für Nebenschauplätze öffnet.

Hauptbühne ist die schicke 1960er-Jahre-Villa von Richard und Barbara Schwarz (Götz Schubert und Juliane Köhler) zwischen Köln und Aachen, die die Kamera wie ein gläsernes Puppenhaus absucht, um den Clan in dunklen Momenten zu zeigen. Die Familie besäuft sich zwischen teuren Mid-Century-Möbeln und wertvoller Kunst - skeptisch beäugt von Heimkehrer Felix.

Der will vom Vater jetzt nur noch die 500.000 Euro für sein Ökofarmprojekt in Kanada, bleibt ihm die Anerkennung des barschen Selfmademan Schwarz senior doch ohnehin verwehrt. Felix will sich von der Sippe und von seinem Angstgegner Alkohol fernhalten - und gerät doch immer tiefer in den Strudel schmutziger Familiengeheimnisse und Kränkungen. Nicht nur er muss sich der Vergangenheit stellen, in der Emily als kleines Mädchen schreckliche Erlebnisse durchgemacht hat.

Das Familientreffen, das schließlich in einen offenen Erbfolgestreit mündet, ist so lebensnah geschrieben und inszeniert sowie von der fabelhaften Darstellerriege so realistisch dargestellt, dass der Thriller-Plot im Herzen der Geschichte fast zur Nebensache wird. Viele Menschen werden ihre Geschwisterkonflikte im Film wiederfinden.

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Merlin Rose ("Wild Republic") hat die Geschichte sofort angesprochen, wie er im Interview der Deutschen Presse-Agentur erzählt hat: "Schon beim Lesen habe ich gedacht: Das ist so eine wahnsinnig schöne Arbeit, sich in diese Familienkonstellation reinzudenken. Was hat er für ein Verhältnis zu seiner Familie, zu seinen Eltern, seinen Geschwistern?" Allein dieser Komplex wäre für sein Gefühl fast einen eigenen Film oder eine eigene Serie wert gewesen, sagte Rose.

"Das Ganze wird dann noch aufgekocht mit diesem gemeinsamen Trauma, das sie haben, diese dunklen Geheimnisse, die daraus entspringen", erzählt der Felix-Darsteller weiter. "Daran konzentriert zu arbeiten, war das, was mich wahnsinnig an der Rolle gereizt hat. Denn was ist es, was uns definiert, wenn nicht unsere Familie, wie wir groß geworden sind und was da alles passiert ist?"

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Beeindruckendes Ensemble

Dass die stellenweise etwas abgehoben wirkende Geschichte einer recht weltfremden Familie dennoch fasziniert, liegt eindeutig am Cast. Und dabei stehen die etwas weniger bekannten Gesichtern den bekannten Mitgliedern dieses Schauspielerensembles in nichts nach. Das sind die Künstler hinter den Rollen.

Sarah Mahita als ehemaliges Entführungsopfer Emily

Schauspielerin Sarah Mahita kam 1997 im baden-württembergischen Filderstadt zur Welt. Im bei Preisverleihungen vielbeachteten Filmdrama "Albträumer" (2020) spielte sie die Hauptrolle Rebekka. Mahita selbst wurde dafür für den Braunschweiger Filmpreis nominiert. Vor "Haus aus Glas" war sie in "München Laim - Laim und die schlafenden Hunde" (2023) zu sehen. Wiederkehrerde Nebenrollen hatte sie in den TV-Serien "Dr. Klein (2014-2019) als Filmtochter der Titelfigur und in "Die Eifelpraxis" (2016-2019) als Tochter des Rektors.

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Aram Arami als geschäftstüchtiger Chris

Der deutsche Schauspieler kurdischer Abstammung Aram Arami ist Jahrgang 1993. Bekannt vorkommen dürfte er den meisten Zuschauerinnen und Zuschauern von der beliebten TV-Reihe "Die Drei von der Müllabfuhr" (seit 2020). Neben Uwe Ochsenknecht (67) und Jörn Hentschel (geb. 1969) spielt er den dritten titelgebenden Berliner Müllmann Tarik Büyüktürk. Arami ist aber auch schon Teil der überaus erfolgreichen "Fack ju Göhte"-Kinofilme (2013, 2015, 2017) gewesen.

Merlin Rose als Wahl-Kanadier Felix

Schauspieler Merlin Rose kam 1993 in Berlin zur Welt. Aufsehen erregte er mit der Hauptrolle im österreichisch-deutschen Coming-of-Age-Film "Aus der Haut" (2016). Für seine Darstellung des 17-jährigen Milan Schultze, der an seiner Homosexualität fast zerbricht, wurde Rose mit dem Günter-Strack-Fernsehpreis ausgezeichnet. Im Kino war er zuletzt in "Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war" (2023) zu sehen.

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Morgane Ferru als alleinerziehende Mutter Leo

Die französische Schauspielerin Morgane Ferru wurde 1991 im schweizerischen Zürich geboren. Seit 2017 ist sie als Arzthelferin Mandy fest im Cast der Fernsehreihe "Praxis mit Meerblick". Im Schweizer Geiseldrama nach einer wahren Geschichte, "Und morgen seid ihr tot" (2021), spielte sie die weibliche Hauptfigur, die zusammen mit ihrem Freund von einer kriminellen Bande in Pakistan entführt und an die Taliban verkauft wird. Ebenfalls zu sehen war sie im Münchner "Tatort: Der Wüstensohn" (2014).

Stefanie Reinsperger als durchsetzungsstarke Eva

Apropos Sonntagskrimi, hier kommt auch Stefanie Reinsperger ins Spiel. Die österreichische Schauspielerin, Jahrgang 1988, ist seit 2021 Teil des Dortmunder Teams, von dem in Kürze nur noch Jörg Hartmann (54) als Peter Faber von der Originalbesetzung übrig sein wird. Reinsperger hat sich aber als Hauptkommissarin Rosa Herzog längst etabliert. Darüber hinaus ist sie ein gefeierter Theaterstar. Neben etlichen Preisen für ihre Bühnenkunst hat sie seit 2022 auch eine Romy in der Kategorie "Beliebteste Schauspielerin Serie/Reihe" zuhause stehen, die sie unter anderem für den Landkrimi "Flammenmädchen" (2021) bekam.

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Götz Schubert als frustrierter Patriarch Richard

Das Familienoberhaupt wird ebenfalls von einem bekannten Gesicht der deutschen Fernsehlandschaft verkörpert. Götz Schubert kam 1963 im sächsischen Pirna zur Welt. Auch er startete seine Karriere vor allem auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Als Teil der Krimiserie "KDD-Kriminaldauerdienst" (2007-2010) wurde er dann aber mit dem Ensemble 2007 mit dem Deutschen Fernsehpreis und 2008 mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet. 

2012 bekam er den Publikums-Bambi für "Der Turm". Seine jüngste berufliche Eroberung stammt aus dem Jahr 2023: der Askania Award in der Kategorie "Bester Schauspieler". Schubert spielt seit 2022 in der Krimireihe "Kolleginnen" und seit 2016 als Kriminalhauptkommissar Burkhard "Butsch" Schulz in "Wolfsland".

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Juliane Köhler als enttäuschte Künstlerin Barbara

Seine Filmehefrau Juliane Köhler ist ein waschechter Filmstar. Die 1965 in Göttingen geborene Künstlerin fiel erstmals - und dann aber auch gleich so richtig - in "Aimée & Jaguar" (1999) von Regisseur Max Färberböck (73) auf. Der Film erhielt 2000 eine Golden-Globe-Nominierung als "Bester fremdsprachiger Film". 

Im oscarprämierten Spielfilm "Nirgendwo in Afrika" (2003) von Caroline Link (59) spielte sie die Titelrolle, im oscarnominierten Geschichtsfilm "Der Untergang" (2004) von Oliver Hirschbiegel (66) war sie als Eva Braun zu sehen. Ebenfalls in Juliane Köhlers umfangreicher Filmografie finden sich neben etlichen "Tatorten" die TV-Reihe "Toni, männlich, Hebamme" (seit 2019) oder skurrile Serien wie "Der Beischläfer" (2020-2021).

Die sechs Episoden der Miniserie "Haus aus Glas" werden in Doppelfolgen am 9. und 10. Januar ab 20:15 Uhr im Ersten gezeigt. Die letzten beiden Folgen laufen am 12. Januar ab 22:20 Uhr.