Filmkritiken

"Fair Play": Lohnt sich das neue Erotik-Drama auf Netflix?

In unserer Rubrik "Lohnt sich das?" stellen wir euch einmal wöchentlich einen Streamingtitel (Film oder Serie), der in aller Munde ist, vor, nehmen ihn genauer unter die Lupe und stellen für euch die altbekannte Frage: "Lohnt sich das überhaupt?" Lohnt es sich, dafür Zeit zu investieren? Ein Abo abzuschließen? Oder ein Abo zu beenden?

Diesmal"Fair Play" auf Netflix

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Netflix weiß, was zieht. Netflix weiß, dass "Netflix and chill" immer noch ein thing ist. Also bewirbt er kurzerhand seinen neuen Film "Fair Play" mit "Bridgerton"-Star Phoebe Dynevor sowie "Star Wars"-Shootingstar Alden Ehrenreich als "Erotikthriller" und packt auch in den Trailer gleich so viel heiße Szenen, wie es halt nur geht (und die Jugendfreigabe zulässt).

Natürlich ganz beabsichtigt kommen beim Zuschauer/der Zuschauerin (schmerzliche) Erinnerungen an die "365 Days"- oder die "Fifty Shades of Grey"-Filmreihe hoch, beide rein zufällig und praktisch auch auf derselben Streamingplattform zu finden (und wenn wir schon dabei sind: Diese Doku gibt's für Gleichgesinnte obendrauf). 

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"Fair Play" erinnert dann aber doch (Gott sei Dank!) weniger an die genannten Erotikfilmchen, sondern vielmehr an die in den 1990ern so populären Hochglanz-Erotikthriller wie "Enthüllung" oder auch "Eine verhängnisvolle Affäre". Wobei: Sex gab's damals tatsächlich mehr, denn viel nackte Haut bekommt man bim neuen Netflix-Film nicht zu sehen. Die Sexszenen sind rar gesät, muten (nicht alle!) eher harmlos an und wirken, obwohl sie dramaturgisch perfekten Sinn machen, ein bisserl wie ein erzwungener Fremdkörper. 

Vielmehr ist "Fair Play" ein Charakterdrama. Aber auch ein psychologischer Beziehungsthriller. Ein Finanzdrama auch. Und dann doch irgendwie auch Soft-Soft-Soft-Porno. Der Film ist alles davon, aber gleichzeitig auch nichts davon. Er ist auf- und unaufgeregt zugleich, changiert zwischen Prickeln, unheilvoller Aura und Langeweile. So ganz weiß "Fair Play" einfach nicht, wo er hin will, fasziniert aber doch. Es ist also kompliziert. Aber ist es das nicht immer, wenn es um Lust, Macht und krankhaften Ehrgeiz geht?

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Sie ist sein Chef 

Die Handlung ist sehr schnell erzählt, wobei man sich davon nicht täuschen lassen sollte, weil "Fair Play" mehr hergibt, als es auf den ersten (zweiten? dritten?) Blick den Anschein hat. Emily (Dynevor) und Luke (Ehrenreich) sind ein glückliches Paar, müssen aber in ihrer Hedgefonds-Firma, in der beide arbeiten, ihre Beziehung geheim halten, weil Liebe unter Kolleg:innen wird im Haifischbecken der Finanzwelt so gar nicht gern gesehen. Ansonsten aber ist alles perfekt: Der Sex ist wild (da stört auch Menstruationsblut nicht!), mit der Karriere läuft's und eine Heirat steht auch an. Als Gerüchten zufolge Luke befördert werden soll, scheint's gar nicht besser laufen zu können ...

... bis es das nicht mehr tut. Denn nicht Luke, sondern Emily wird befördert. Auch wenn Luke versichert, sich für seine Verlobte zu freuen, hängt sehr bald der Haussegen schief, denn dass sie nun seine direkte Vorgesetzte ist, verunsichert Luke in seinen Grundsätzen und seinem Ego so stark, dass er sich bald einem Selbsthilfe-Guru aus dem Internet zuwendet. Emily dagegen muss sich nun mehr als zuvor in einer Männerdomäne beweisen. Die Machtstrukturen des Büros werden zu Machtstrukturen im Privatleben, die die Beziehung von Luke und Emily auf die Zerreißprobe stellen ...

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Ein Beispiel aus dem Lehrbuch

"Fair Play" ist toxisch – aber im dramaturgisch besten Sinne: Die Finanzwelt ist toxisch, die Liebesbeziehung zwischen Luke und Emily ist toxisch, deren die Seele zerfressender Ehrgeiz ist toxisch, Geschlechterstrukturen (in der Arbeitswelt und überhaupt) sind toxisch, Machtspiele sind toxisch und CIS-Männlichkeit sowieso. Drehbuchautorin und Regisseurin Chloe Domont ("Fair Play" ist ihr Spielfilmdebüt) zufolge basiert die Story auf persönlichen Erfahrungen, sie weiß also anscheinend, wovon sie spricht und erzählt.

In der Theorie macht "Fair Play" auch sehr viel richtig, fast ist es ein Beispiel aus dem Filmwissenschaft-Lehrbuch: In beinahe jeder Szene ist klar, was Domont damit sagen will. Die (anfangs) weichen Farben im Privatleben beispielsweise stehen im harten Kontrast zur kalten Farbgebung des Berufslebens. Lukes und Emilys Beziehung ist wild und leidenschaftlich, was auch im krassen Gegensatz zur zwar nervenaufreibend, aber doch eiskalten und misanthropischen Hedgefonds-Welt steht. Oder wenn der Firmenchef Emily "dumb fucking bitch" nennt, weiß man auch, wieso das für die Story wichtig ist.

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Toxisch-patriarchale Strukturen

Dass "Fair Play" also nicht vielschichtig sei, kann man dem Film nicht vorwerfen. Das bringt auch "epd film" perfekt auf den Punkt: "Die Gnadenlosigkeit, mit der die Mechanismen der Finanzbranche hoffnungsvolle Karrieren und psychische Gesundheit aufs Spiel setzen, ist nur ein Teil dessen, was Domont bei 'Fair Play' interessiert", analysiert Patrick Heidmann. "Noch viel mehr geht es ihr darum, wie sich innerhalb einer (heterosexuellen) Beziehung die Dynamik verändert, wenn offenkundig wird, dass Theorie und Praxis in Sachen Geschlechtergerechtigkeit und gesellschaftliche Erwartungshaltungen im Spannungsfeld toxisch-patriarchaler Strukturen und einer Post-#MeToo-Realität doch weit auseinanderklaffen."

So ist es faszinierend zu beobachten, wie sich beide Partner:innen immer mehr verändern und die Beziehung eskaliert. Wenn Emily sich immer mehr dem Verhalten ihrer männlichen Kollegen anpasst, rutscht auch sie in die Untiefen der sexuellen Übergriffigkeit und des Machtmissbrauchs ab: "Ich verschaffe dir eine Beförderung, wenn du mir die Pussy leckst", verspricht sie Luke süffisant grinsend. Dieser fühlt sich in seiner Männlichkeit so sehr angegriffen, dass er auch im Bett seine Leistung nicht mehr bringen kann.  

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Wenn der Streit zum Psychoduell wird

Mehr und mehr wird der Beziehungsstreit zum Beziehungskrieg und zum knallharten Psychoduell, aus passiv-aggressiven Sticheleien werden Machtspielchen inklsuive destruktive Schläge auf die Seele. Toll (aber auch irritierend) ist, dass "Fair Play" lange Zeit offen lässt, für welche Seite man als Zuschauer:in nun die Daumen drücken soll: denn im besagten Duell switcht unsere Sympathie wie ein unangenehm aufprallender Ping-Pong-Ball blitzschnell zwischen den Parteien hin und her. Wer von den beiden ist nun unsympathischer, wer der größere Ungustl? Wer verletzt den anderen mehr? Aus Worte werden schließlich Handgreiflichkeiten – und wenn am Ende die lange Zündschnur abgelaufen ist und die Bombe schließlich explodiert, ist tatsächlich alles verloren. 

Bis es soweit ist, baut sich die Spannung des Films langsam auf, es umgibt die Figuren stets eine unheilvolle Aura und man hat das Gefühl, jede Sekunde könnte etwas Schlimmes passieren. Das aber kollidiert auf merkwürdige Weise mit dem Erzähltempo des Films, was einer der Probleme von "Fair Play" ist.

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In der Praxis holpert es

In der Theorie passt "Fair Play" also wunderbar, in der Praxis holpert's dann aber doch immer wieder. So langsam sich die Spannung aufbaut, so unwillkürlich schnell geht die Story selbst voran, was ein wirklich tiefes Eintauchen in die Psyche der Figuren verhindert.

Kaum wird Emily befördert, wird Luke von einer Sekunde auf die andere ein unsicherer Finanzanalyst, der nichts mehr auf die Reihe bekommt. Auch der Druck, dem Emily in ihrer neuen Position nun ausgesetzt ist, baut sich zu rasant auf. Das Wechselbad der Gefühle wird dann doch etwas zu schnell durchgepeitscht. Im Serienformat hätte "Fair Play" wohl besser funktioniert, da Domont dann die Chance gehabt hätte, den Veränderungen der innerlichen und äußeren Welt der Figuren mehr Zeit und Raum zu lassen. Das gilt auch für das Ende, das viel zu abrupt daherkommt und zu einem überspitzen und allzu simplen #MeToo-Zeigefinger verkommt.

Apropos Raum: "Fair Play" wechselt ständig zwischen ungefähr nur drei Schauplätzen, was zwar das Gefühl eines Kammerspiels aufkommen lässt, aber recht schnell doch redundant wirkt. Auch die Dialoge wiederholen sich ständig, genauso wie die Szenen im Büro, die stets nach dem selben Schema ablaufen. Bisschen mehr Abwechslung hätte dem Film gut getan. Auch das ständige Finanz-Gequatsche ermüdet etwas.

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Ehrenreich ist faszinierend subtil 

Natürlich steigt und fällt solch ein Psychothriller-Charakterdrama mit den Hauptdarsteller:innen. Dynevor ist zwar nicht unglaubwürdig als kluge und ehrgeizige Emily, stellt aber vor allem zwei Gesichtsausdrücke zur Schau: nachdenklich und verunsichert-nachdenklich. Ehrenreich wiederum begeistert mit einem herrlich subtilen Spiel, der auch ohne Dialoge tief in die immer mehr verkümmerte Seele von Luke blicken lässt.

Die Chemie zwischen beiden lässt allerdings zu wünschen übrig, weshalb wahrscheinlich die Streitszenen viel besser funktionieren als die harmonischen Liebesszenen. Dass man weder zu Luke noch zu Emily eine Beziehung aufbauen kann, ist aber wohl Absicht und passt zum Rest des kühl-distanzierten Stils des Films.

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Unser Fazit

"Fair Play" will eine prickelnd-kraftvolle Reise sein und ein Diskurs über viele gesellschaftlich relevante Themen anstoßen, was aber nur in Ansätzen funktioniert. Für eine wirklich tiefgreifende Psychoanalyse einer modernen Beziehung und eine Skizzierung eines gesellschaftlichen Sittenbildes bleibt der Film leider etwas zu oberflächlich und zu sanft. Schade, aber ein Totalreinfall sieht anders aus.

3 von 5 Sternen

Für Fans von:  "Industry", "Billions" – und diesen 11 Filmen!
 

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