"Don't worry Darling": Wenn die Metapher größer als die Story ist
Von Manuel Simbürger
Nehmen wir uns ein Beispiel an Olivia Wilde, die sich in den vergangenen Wochen kein Blatt vor den Mund genommen hat: Wenn das Drama rund um den Film größer – und spannender, weil abwechslungsreicher – ist als das Drama im Film, dann ist das kein gutes Zeichen. Dann hat der Film nämlich ein Problem. Ein großes.
Das Drama rund um den Film
Ein kurzer Gossip-Überblick: Olivia Wilde behauptete, Shia LaBeouf gefeuert zu haben aufgrund seines schlechten Verhaltens, wie unter anderem Variety berichtete. LaBeouf wiederum sagte, er hätte gekündigt und Wilde ihn daraufhin angefleht, wieder zum Projekt zurückzukommen – er hätte sogar Videobeweise dafür. Harry Styles wiederum soll die Hauptrolle nur deshalb bekommen haben, weil er der Freund von Wilde ist.
Schauspielerin Florence Pugh ist das alles zu blöd, sie hat etliche Pressetermine des Films gestagelt. Ein Fotoshooting von Wilde für das US-"Interviewmagazine" kam auch nicht wirklich gut an. Und schlussendlich, zum krönenden Abschluss, soll Styles Filmpartner Chris Pine in Venedig auch noch angespuckt haben (was sich aber schnell als falsch herausgestellt hat, immerhin).
Das Drama im Film
Viel also wurde über "Don’t worry Darling" in den letzten Wochen gesprochen und geklatscht, aber irgendwie auch nicht, denn um den Inhalt und das Endprodukt selbst ging es dabei kaum. Fair ist das nicht, immerhin handelt es sich nicht nur um jenen Streifen, in denen Popstar Styles seine erste Film-Hauptrolle spielt, sondern auch um Wildes mit großer Neugier erwartetes Nachfolgeprojekt ihres gefeierten Regiedebüts „Booksmart“. Und wie wir alles aus der Musikbranche wissen: Das Erstlingswerk ist wichtig, aber das, was du danach ablieferst, bestimmt über den weiteren Verlauf deiner Karriere.
Gleich vorweg: "Don’t worry Darling" ist keine Zeitverschwendung, man kann ihn sich ruhig im Kino ansehen, ohne das Gefühl zu haben, unnötig Geld rausgeschmissen zu haben. Er ist kein Totalflop – aber vom erhofften Triumph ist er auch meilenweit entfernt. Das hat stark damit zu tun, dass der Film sich für klüger hält, als er tatsächlich ist. Oder die ZuschauerInnen für dümmer, als sie tatsächlich sind. Sucht es euch aus.
Die perfekten 50er-Jahre ... oder?
Die Story selbst ist durchaus vielversprechend: Wir befinden uns in den 1950ern, Alice (Pugh) und Jack (Styles) leben im kleinen Wüstenstädtchen Victory mitten in der kalifornischen Wüste. Nicht nur ihre Ehe scheint perfekt zu sein (auch nach Jahren können sie die Finger nicht voneinander lassen!), sondern auch die Stadt selbst ist Utopia pur: Alle sind miteinander befreundet, die Farben strahlen, die Häuser sind makellos, alles hat seine und ist in Ordnung.
Während die Ehemänner morgens zur gleichen Zeit – und sehr synchron – zur Arbeit in die Zentrale der Firma Victory (die die Stadt auch erbaut hat) ausschwärmen und von ihrem Chef Frank (Chris Pine) schwärmen, verbringen die Frauen den Tag damit, den Haushalt in Schuss zu halten, Ballettstunden zu nehmen, sich am Pool mit Cocktails zu vergnügen, zu tratschen und am Abend den Göttergatten mit einem perfekten Dinner (und Sex) zu verwöhnen.
Schönheit, Luxus, Sorgenlosigkeit: Die Firma liest den BewohnerInnen jeden Wunsch von den Augen ab. Alles, was im Gegenzug dafür verlangt wird, ist Diskretion (die Frauen wissen nur, dass ihre Männer an der "Entwicklung progressiver Materialien" arbeiten) und bedingungslose Hingabe an die Ziele des Unternehmens.
Dass dieses Leben zu perfekt scheint, wird nicht nur dem Publikum, sondern auch Alice sehr schnell klar – spätestens dann, als sich in den Eiern, die sie fürs Kochen benötigt, kein Eigelb befindet. Als sie immer öfter unerklärliche Visionen plagen und sich eine der Hausfrauen, nachdem sie sich merkwürdig verhalten hat, das Leben nimmt, bekommt die Perfektion Risse. Doch niemand will Alice glauben, besonders die Männer halten sie für hysterisch ...
Aufgewärmt statt frisch gekocht
"Die Frauen von Stepford", "Get Out", "Die Truman Show", "Requiem for a dream", "Pleasantville", "Mad Men", "The Handmaid’s Tale" und sogar "WandaVision": Das, was uns "Don’t worry Darling" präsentiert, haben wir anderswo schon mehrfach gesehen – und das um ein Vielfaches besser. Inspiration ist okay, aber das Sprichwort "Besser gut geklaut als schlecht selbst gemacht" trifft auf Wildes Film nicht zu: Die Individualität fehlt, statt Eigenes und frisch Gekochtes gibt es nur Aufgewärmtes. Und jede Hausfrau weiß, dass dieses Rezept nicht zum Erfolg führt.
In einer Szene sagt Gemma Chan alias Franks Ehefrau Shelley: "The enemy from progress is chaos." Und: "There is beauty in control." "Don’t worry Darling" aber hält sich selbst am wenigsten an diesen Glaubenssatz, denn das größte Problem des Films ist seine Struktur und sein Tempo.
Der Twist macht den Film kaputt
Obwohl der erste Akt – die Vorstellung von Victory – Lust auf Mehr macht und durchaus gelungen ist, holpert die Erzählung schon hier: Alice merkt bereits, dass in ihrer Welt etwas nicht stimmt, da konnten wir uns noch nicht mal vollständig auf das faszinierende 50er-Setting einstellen. Die Utopie samt ihrer Schönheit und Perfektion, und sei sie auch noch so falsch, hätten wir gern noch ein bisschen länger ausgekostet.
Ab dem zweiten Akt beginnt "Don’t worry Darling" aber eine Talfahrt, die bis zum Ende (speziell am Ende!) nicht mehr an Höhe gewinnt. Genau genommen geht’s mit dem Film ab dem Zeitpunkt bergab, als der Twist (der den Streifen eigentlich aus dem Genre-Einheitsbrei herausstechen lassen sollte) einsetzt.
Ein Twist, der sich nicht auf die Stärke der Handlung verlässt, sondern lieber die bequemere Abkürzung einer Shyamalan-artigen Wendung nimmt, die erzwungen gesellschaftskritisch (man könnte auch sagen: gezwungen woke) daherkommt. Vor allem aber: Er lässt sich von Beginn an erahnen, wodurch der Film reichlich an Spannung verliert.
Und das Ende? Das kommt derart unvermittelt, übertrieben actionbeladen und auch viel zu unschlüssig daher, dass man sich dem Gefühl nicht verwehren mag, Wilde wäre am letzten Drehtag draufgekommen, dass der Film irgendwann zu Ende gehen muss. Ja, das Finale regt zum Nachdenken an – aber wohl anders als von Wilde gewollt: Wieso wurden etliche Storyplots nicht aufgelöst, so viele Fragen (nein: Plotholes!) nicht beantwortet? Ist das Ganze wirklich bis ins letzte Detail durchdacht? Und was will uns der Film eigentlich genau sagen?
"Don't worry Darling": Schöne Hülle, wenig Inhalt
Es ist nicht schwer zu erraten, um was es Wilde und ihrer Autorin Katie Silberman geht: nämlich um Themen wie Patriarchat, weibliche Selbstbestimmung, Gaslighting, Incel Culture und dem Irrglauben, dass "früher" alles besser war.
Nur wird das alles leider viel zu sehr oberflächlich behandelt, wird uns mit ärgerlich redundanten Szenen und mit einem Overkill an (alles andere als subtilen) Metaphern unter die Nase gerieben, sodass das verschenkte Potenzial laufend größer zu werden scheint. Bei (sehr) guten Filmen ergibt sich die Message automatisch aus der Handlung. In diesem Fall aber scheint die Handlung rund um die – simple! – Message kreiert worden zu sein.
Es ist deutlich: "Don’t worry, Darling" legt auf Symbolik und schöne Bilder mehr wert als auf die Story selbst, sodass die zuvor beschriebene Ei-Szene nicht nur auf Alices Leben, sondern auch auf den Film selbst zutrifft: Schöne, glatte Hülle, aber wenig Inhalt. Das wirkt mitunter prätentiös und schlicht anstrengend.
Beeindruckende Bildgewalt und Scores
Dass man Wilde trotzdem nicht als Regisseurin abschreiben sollte, sieht man an ihrem komplexen Einsatz der Optik und des Scores, die besten Aspekte des Films.
Anhand der teils nur wenige Sekunden aufblitzenden Schwarz-Weiß-Bilder eines Grusel-Balletts und einer menschlichen Linse, ja gar mithilfe der überbordend-leuchtenden Farben des Fifties-Welt, verleiht der zweifach Oscar-nominierte Kameramann Matthew Libatique ("Black Swan") dem Film eine Atmosphäre der permanent unterschwelligen Gefahr und lässt ihn zumindest im Ansatz zum "gewagten, komplexen" Psychothriller werden, als der er im Pressetext beworben wird. Ein bisschen mehr Struktur hätte aber auch hier nicht geschadet.
Ähnlich gewagt und hypnotisierend ist der Score vom ebenfalls Oscar-nominierten Komponisten John Powell ("Jason Bourne"), der großteils nur aus weiblichen Stimmen und Atmern besteht, mitunter so unaufgeregt und schwerfällig, dass das Gefühl aufkommt, die Protagonistin befinde sich kurz vorm Ertrinken. Das spiegelt die Paranoia von Alice perfekt wider und wirkt effizienter als die meisten anderen Holzhammer-Metaphern im Streifen.
Die (gefährliche) Strahlkraft der Florence Pugh
Was "Don’t worry Darling" ebenso vorm endgültigen Ertrinken rettet ist die Performance von Pugh, die nach "Midsommar" einmal mehr beweist, dass sie keine Angst vor leidenschaftlicher Präsenz hat. Ihr Spiel ist ein Mix aus Power und Verletzlichkeit, sie trägt den Film von Anfang bis Ende.
Doch je größer die Strahlkraft, desto größer die geworfenen Schatten – und in denen muss der Rest des Casts ausharren: Styles bleibt farblos und bekommt ebenso wenig zu tun wie Pine (dem eine stärkere Chemie mit Pugh verbindet als ihr Film-Ehemann), der Rest vom Cast trägt erschreckend wenig zur Story bei, große Talente wie Gemma Chan bleiben meilenweit unter ihren Möglichkeiten. Olivia Wilde als Hausfrau Bunny macht ihre Sache passabel, hinterlässt aber wenig Eindruck.
Feuerchen statt Explosion
So bleibt die erhoffte gesellschaftskritische Explosion von "Don’t worry Darling" eher ein loderndes Feuerchen mit gelegentlichem Aufflammen. Mehr aussagekräftigen (zumindest aber schrägeren) Zündstoff mit Mindfuck-Potenzial würde wohl eine Doku über die Entstehung des Films hergeben ...
3 von 5 Sterne
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