Filmkritiken

"Die zwei Päpste": Kammerspiel im Vatikan

Der Vatikan gewährt selten einen Blick hinter seine Mauern. Der brasilianische Regisseur Fernando Meirelles ("Der ewige Gärtner", "City of God") macht es in seinem neuen Film "Die zwei Päpste" dennoch möglich. Es ist aber nur ein fiktiver Blick. So oder anders könnte es gewesen sein: die Entscheidung von Papst Benedikt XVI. als erster Papst seit 720 Jahren freiwillig und damit schon vor seinem Ableben aus dem Amt zu scheiden.

 

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Hochkarätig besetzter Prestigefilm

Meirelles, der für sein internationales Spielfilmdebüt "City of God" auf Basis des gleichnamigen Romans von Paulo Lins weltweites Kritikerlob sowie vier Oscar-Nominierungen einheimste, verfilmt diesmal ein Drehbuch von Anthony McCarten. Der ebenfalls mehrfach Oscar-nominierte Autor ist wiederum für Biopics über berühmte Persönlichkeiten bekannt: Aus seiner Feder stammen die Drehbücher von "Die Entdeckung der Unendlichkeit" über Stephen Hawking, "Die dunkelste Stunde" über Winston Churchill und "Bohemian Rhapsody" über Freddie Mercury. Nun hat er sich also gleich zwei Päpste vorgenommen.

Selbstverständlich sind auch die beiden Hauptdarsteller keine Unbekannten: Oscar-Preisträger Anthony Hopkins spielt Papst Benedikt, Charakterdarsteller Jonathan Pryce den späteren Papst Franziskus.

Auftraggeber und Produzent dieses (vor und hinter der Kamera) hochkarätig besetzten Filmes ist Netflix. Wie in diesem Herbst auch "The Laundromat", "The King", "Marriage Story" und zuletzt "The Irishman" bringt Netflix den Film zwei Wochen vor dem exklusiven Start auf der eigenen Streaming-Plattform auch in die heimischen Kinos. Grund dafür ist wohl vor allem Anerkennung und Aufmerksamkeit für diese prestigeträchtigen Filme, international bei Journalisten, auf Filmfestivals und vor allem bei den Oscars ebenso wie in der Wahrnehmung von Filmliebhabern und potenziellen Kunden.

 

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Kammerspiel im Vatikan

"Die zwei Päpste" ist ein professionell und sehenswert inszeniertes Kammerspiel. Es beginnt mit der Wahl des deutschen Kardinals Joseph Ratzinger zum Nachfolger des verstorbenen Langzeitpapstes Johannes Paul II. und endet mit der Wahl des argentinischen Kardinals Jorge Bergoglio zum Oberhaupt der Römisch-Katholischen Kirche. Dazwischen lässt uns Meirelles nicht nur an den Gesprächen der beiden Männer im Vorfeld der schwerwiegenden Entscheidung von Papst Benedikt teilhaben, sondern erzählt auch noch die Lebensgeschichte des neuen und aktuellen Papstes.

Der Film zeichnet ein Bild zweier Männer wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Der Jesuit Bergoglio ist ein bescheidener Mann des Volkes, der bei jeder Gelegenheit die Lebensferne und Starrheit der Kirche anprangert. Der konservative Deutsche Ratzinger ist ein Gelehrter und Theoretiker, der sich hinter Büchern und den Mauern des Vatikans vor dem Leben versteckt. Der eine erzählt gerne Witze und summt "Dancing Queen" von ABBA, der andere kann sich keine Witze merken und mit Popmusik nichts anfangen. Der eine ist eloquent und unorthodox, der andere alt und starr. Ein wenig überzeichnet vielleicht, aber wohl durchaus nicht so weit hergeholt.

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Das könnte rasch in Plattitüden ausarten, aber dank der hervorragenden Schauspieler Anthony Hopkins und Jonathan Pryce passiert das nicht. Auch wenn der Sinneswandel von Ratzinger bezüglich der Sichtweisen Bergoglios ein wenig Leichtgläubigkeit erfordert, sind die persönlichen Gespräche zwischen den beiden Männern durchaus glaubwürdig. Dabei wird vor allem die Geschichte des aktuellen Papstes, also jene von Kardinal Jorge Bergoglio, erzählt. Freunde werden Benedikt und Franziskus am Schluss keine. Aber sie verbrüdern sich und erteilen einander die Absolution.

"Die zwei Päpste" versteht durch seine Hauptdarsteller zu fesseln. Doch gerade, wenn es um die Vergebung von Sünden geht, könnte der Film wesentlich kritischer an die Sache herangehen. Es wundert nicht, dass der verharmlosende Umgang der Kirche mit Missbrauchsvorfällen unter Papst Benedikt nur gestreift wird, weil Franziskus klar im Mittelpunkt des Films steht. Von den Vorwürfen gegenüber Jorge Bergoglio bezüglich seiner angeblichen Kollaboration mit der argentinischen Militärdiktatur, unter deren Regime zwischen 1976 und 1983 rund 30.000 Argentinier von Todesschwadronen entführt und getötet wurden, erfahren wir zwar. Aber der Film zeigt im Wesentlichen die rechtfertigende, durchaus auch reumütige Sichtweise von Papst Franziskus. Dabei hätte ein bisschen mehr kritische Distanz und ein bisschen weniger Vermächtnispflege (bei Benedikt) und Legendenbildung (bei Franziskus) dem Film sicher gutgetan.