Filmkritiken

„Die perfekte Kandidatin“: Im Leben einer saudischen Ärztin

Maryam (Mila Al Zahrani) arbeitet als Ärztin in einer saudischen Kleinstadt. Seit mehreren Wochen wird der Krankentransport in die Notaufnahme durch einen sich immer mehr ausbreitenden Schlammteppich vor dem Eingang beeinträchtigt. Die junge Ärztin sieht sich zu Größerem bestimmt und will die Probleme im Dorfkrankenhaus hinter sich lassen, um eine Stelle in Riad anzutreten. Trotz Genehmigung ihres Vaters wird ihr der Flug verwehrt und sie muss sich mit den Umständen des maroden Spitals auseinandersetzen. Nachdem keine Hilfe seitens der Stadtregierung zu erwarten ist, beschließt sie als Gemeinderätin bei den bevorstehenden Wahlen zu kandidieren.

Doppeldeutig

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Die perfekte Kandidatin“ ist der dritte Spielfilm von Haifaa al Mansour. Sie ist die erste saudische Regisseurin aller Zeiten und ihr Spielfilmdebut „Das Mädchen Wadjda“ war der erste Kinofilm der je in Saudi Arabien gedreht wurde. In ihrem neusten Werk gibt sie uns einen Einblick in eine Gesellschaft, die einem als Mitteleuropäer äußerst fremd ist. Viele der Symbole oder Botschaften im Film sind einem deshalb nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich, was das Seherlebnis aber umso interessanter gestaltet. Die Komödie beginnt mit einer verschleierten Frau, die mit dem Auto in die Arbeit fährt, eine gewöhnliche Szene, die man schon in dutzenden anderen Filmen gesehen hat, doch der Umstand, dass Frauen in Saudi Arabien erst seit kurzem Autofahren dürfen, gibt der ersten Einstellung des Filmes sofort eine Doppeldeutigkeit.

Kritisch empathisch

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Al Mansour ist nicht daran interessiert, mit ihren Filmen eine radikale politische Revolution loszutreten, sondern hat großen Respekt vor den kulturellen Eigenheiten ihrer Heimat. Sie möchte ein Umdenken durch empathische und emotionale Figuren erreichen, die durch die illiberalen Strukturen an den Rand der Gesellschaft getrieben werden. Ein Beispiel nimmt sie sich dabei an den Werken iranischer Filmemacher wie Jafar Panahi und Asghar Farhadi, die es schaffen, ihre Gesellschaftskritik elegant in ihre berührenden Geschichten einzuarbeiten.

Große Gefühle

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Für ein westliches Publikum mögen viele der Konflikte irrational sein, da man eine Weile braucht, um die moralischen Regeln der Gesellschaft zu dekodieren, aber allein die Tatsache, knapp zwei Stunden in die Lebenswelt einer saudischen Ärztin einzutauchen, ist hier den Kinobesuch wert. Einige Passagen können einem zu kitschig oder überzeichnet erscheinen, jedoch will „Die perfekte Kandidadtin“ kein Nischenfilm sein, sondern versucht, durch große Gefühlsausbrüche ein großes Publikum zu erreichen. Ein Plädoyer für die Kraft des Kinos!