Filmkritiken

"Die Misswahl": Miss World im Visier feministischer Aktivistinnen

Im Jahr 1970 war die Wahl der Miss World noch ein TV-Event, das aus der Londoner Royal Albert Hall live in alle Welt übertragen wurde. Der nicht mehr ganz taufrische US-Entertainer Bob Hope war als TV-Host gewonnen worden und riss auf der Bühne gerade verstaubte Witze über hübsche Mädchen in Badeanzügen, als im Publikum plötzlich ein Aufruhr ausbrach. Aktivistinnen der Women’s Liberation Front machten die TV-Liveübertragung zu ihrer weltweiten Bühne.

Zuvor hatte die radikal-feministische Frauenbewegung bereits Proteste gegen diese mediale Objektivierung von Frauen angekündigt. Die Miss World Wahl sei eine unwürdige Fleischbeschau wie sonst nur auf Viehmärkten und reduziere Frauen auf ihre Körpermaße.

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"Misbehaviour", so der prägnantere Originaltitel des Films der Regisseurin Philippa Lowthorpe, blickt auf diese Ereignisse vor allem aus der Sicht der beiden Aktivistinnen Sally Alexander (Keira Knightley) und Jo Robinson (Jessie Buckley) zurück. Die bürgerlich-intellektuelle Sally will das von Männern dominierte System mit Argumenten von innen verändern. Die rebellische Jo will das Patriarchat lieber mit einem Vorschlaghammer zertrümmern. Ihre gemeinsamen feministischen Ziele verbinden sie und führen schließlich zur Planung der gewaltfreien Störaktion vor laufenden Kameras.

Zwischendurch wechselt die Perspektive aber auch immer wieder ins gegnerische Lager, zu den Veranstaltern Julia (Keeley Hawes) und Eric Morley (Rhys Ifans), BobHope (Greg Kinnear) und den Miss-World-Kandidatinnen.

 

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Kurzweiliges feministisches Lehrstück

"Die Misswahl" ist ein kurzweiliges Filmdrama, das eine wahre Geschichte erzählt und dabei den Fokus vor allem auf die historischen Errungenschaften des Feminismus legt. Dabei wirkt der Film oft wie ein aufklärerisches Lehrstück für Feminismus-Einsteiger. Die wohl angestrebte Polarisierung zwischen radikal-feministischen Aktivistinnen und den schrullig-konservativen Miss-World-Veranstaltern bleibt immer sehr zahm. Der Feminismus, der hier dargestellt wird, wirkt oft altbacken. Obwohl die feministischen Ziele bis heute bei weitem nicht vollständig erreicht sind, erscheinen die Anliegen der Aktivistinnen und auch die im Film skizzierten Problemlagen aus heutiger Sicht wenig gegenwartsrelevant – insbesondere wenn man an erfolgreiche TV-Formate wie "Next Topmodel" denkt, die keineswegs von weißen alten Männern inszeniert werden.

Die mangelhafte Intersektionalität des im Film dargestellten Feminismus wird in einer Filmszene sogar überdeutlich, die allerdings – Achtung! – minimale Spoiler enthält: Auf der Toilette trifft die bürgerliche weiße Aktivistin aus der ersten Welt auf die erste schwarze Miss World aus der dritten Welt. Die Proteste hätten sich nicht gegen sie, sondern gegen die Verweigerung gleicher Chancen durch das patriarchale System gerichtet. "Ich wäre froh gewesen über die Chancen, die du hattest", ist die Antwort der neuen Miss World, für die ihre Wahl zur Miss World sehr wohl Chancen für sie selbst und auch emanzipatorische Symbolkraft für viele Mädchen und Frauen auf der Welt bietet. Leider wird der komplexe intersektionale Aspekt des Feminismus in dieser Szene nur angedeutet, sonst im Film aber weitgehend ignoriert.

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Vielleicht hätte es dem offensichtlichen feministischen Anspruch des Films gut getan, diesen vielschichtigen Problemlagen mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Interessanter und für das Thema ergiebiger als die zahme Darstellung der schrulligen Männer rund um die Organisation der Miss-Wahl wäre sicher ein stärkerer Fokus auf die Beziehung zwischen den drei Miss-World-Kandidatinnen Miss Grenada (Gugu Mbatha-Raw), Miss Africa South (Loreece Harrison) und Miss Sweden (Clara Rosager) gewesen. Tatsächlich ist es auch eindeutig Gugu Mbatha-Raw, die in ihrer Rolle glänzt. Harrison und Rosager bekommen als Randfiguren nicht genügend Raum dafür. Mit dem einseitigen Fokus auf Knightley und Buckley als die Vertreterinnen des Feminismus in der privilegierten Welt westlicher Industrienationen kommt eine wesentliche Dimension zu kurz. Mit einem gegenüber dem Feminismus der 70er-Jahre kritischeren, damit auch umfassenderen und moderneren Zugang wäre aus der Geschichte wohl mehr herauszuholen gewesen.