Filmkritiken

"Der Untergang des Hauses Usher": Lohnt sich die neue Horror-Serie?

In unserer Rubrik "Lohnt sich das?" stellen wir euch einmal wöchentlich einen Streamingtitel (Film oder Serie), der in aller Munde ist, vor, nehmen ihn genauer unter die Lupe und stellen für euch die altbekannte Frage: "Lohnt sich das überhaupt?" Lohnt es sich, dafür Zeit zu investieren? Ein Abo abzuschließen? Oder ein Abo zu beenden?

Diesmal: (Alle Folgen von) "Der Untergang des Hauses Usher" auf Netflix

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Horror in Serien und Filmen hat sehr oft mit Tod, Veränderung, Loslassen und Aufbruch zu tun. Die neue Gothic-Horror-Drama-Serie "Der Untergang des Hauses Usher" auf Netflix macht hier keine Ausnahme, auch nicht auf Meta-Ebene: Showrunner Mike Flanagan verabschiedet sich mit der Produktion vom roten Streamingriesen, ab 2024 ist er für Konkurrenz Prime Video tätig (und wir hoffen, Netflix hat deshalb nicht schon sämtliche Vodoopuppen ausgepackt). 

Der Abschied dürfte dem erfolgsverwöhnten roten N schmerzen, immerhin hat Horror-Meister Flanagan dem Streamingportal doch gruselige Horror-Megahits wie  "Spuk in Hill House" und "Spuk in Bly Manor", sowie die etwas weniger gehypten, aber immer noch sehr zufriedenstellenden "Midnight Mass" und "Gänsehaut um Mitternacht" geschenkt. "Der Untergang des Hauses Usher" ist also Flanagans Schwanengesang an Netflix – aber leider trällert dieser nicht ganz so laut, wie es sein Potenzial zugelassen hätte.

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Worum geht's in "Der Untergang des Hauses Usher"?

Im Fokus steht die titelgebende Familie Usher, angeführt von den Zwillingsgeschwistern Roderick (Bruce Greenwood) und Madeline (Mary McDonell). Die Familie ist genauso stinkreich wie stink-skrupellos, denn von nix kommt halt nix: Roderick und Madeline haben gemeinsam das Pharmaunternehmen Fortunato Pharmaceuticals dank dem wirksamen, aber extrem süchtig machenden Opium Ligodone zu einem mächtigen Imperium aufgebaut. 

Dieses Imperium sollen die Kinder von Roderick (sechs insgesamt von fünf verschiedenen Frauen) übernehmen. Blöd nur, dass die einer nach dem anderen den Löffel abgeben – und das auf äußerst mysteriöse wie auch brutale (und zugegeben, auch kreative) Art und Weise. Als Rahmenhandlung der achtteiligen Serie dient das gemütliche Gespräch zwischen Roderick und dem Ermittler C. Auguste Dupin (Carl Lumbly), der die Ushers schon länger zu Fall bringen will, vom Familienanwalt Arthur Pym (Mark Hamill) aber stets vor Gericht geschlagen wurde.

Was Roderick von Beginn an offen zugibt: Der Tod des Nachwuchses ist seine Schuld – und alles hat mit einem übernatürlichen Deal in der Vergangenheit zu tun ...

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Von Gier, Wahnsinn und Reichtum

Flanagans "Der Untergang des Hauses Usher" basiert auf der gleichnamigen Kurzgeschichte aus dem Jahr 1839 eines anderen einflussreichen Horror-Wunderwuzzis, nämlich Edgar Allen Poe. Doch auch andere Stories von Poe haben es in die Serie geschafft, was "Usher" zu einem durchaus interessanten Potpourri für Gothic-Fans und Liebhaber:innen altmodischen Grusel-Horrors mit reichlich psychoanalytischen Ansätzen macht.

Die Querverweise auf Poe finden sich freilich durch die Serie hinweg, sei es bei der Namensgebung der Figuren (C. Auguste Dupin, Arthur Pym) oder auch bei den Themen, die behandelt werden: In "Usher" geht es, und das nicht gerade zweideutig, um Gier, Familie, Wahnsinn, Isolation, metaphysische Identitäten und natürlich den Seelen-zerstörenden Reichtum. Die Reichen müssen dafür bezahlen, was sie dem "kleinen Mann" antun. Das hat dem Publikum in Poes Zeiten schon gefallen und wird wohl bei Flanagan nicht anders sein.

Übrigens ist die Netflix-Serie nicht die erste filmische Adaption von Poes Geschichte: Schon 1928 (!) wagte sich der erfolgreiche Stummfilm-Regisseur Jean Epstein an eine Verfilmung, die dank zukunftsweisender Technik und dichter Atmosphäre als Wegweiser des französischen Avantgarde- und Horrorfilms in die Geschichte einging und als Meisterwerk Epsteins gilt.

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Der Horror der Drogen

Bei Poe sind Richard und Madeleine Inhaber:innen eines heruntergekommenen alten Herrenhauses, das sie buchstäblich nach und nach konsumiert, eine eindrucksvolle Metapher für ihren korrumpierenden Reichtum und den Zerfall der eigenen Persönlichkeit.

Dass die beiden nun Pharmaindustrie-Magnaten sind, die für die Opiodkrise der gegenwärtigen USA verantwortlich sind, passt natürlich in die Narrative unserer Zeit – und des Binge-Genusses, immerhin waren die Serien "Dopesick" (Disney+) und "Painkiller" (Netflix), die beide über die wahren Hintergründe der Opioidkrise erzählen, große Streaminghits. Sogar der kommende Netflix-Film "Pain Hustlers" mit Emily Blunt und Chris Evans handelt davon. Man könnte "Usher" mit seiner dysfunktional-destruktiven Familienstruktur natürlich auch als "'Succession' mit Horror-Elementen" beschreiben. Oder als überspitze Version von "House of Gucci"

Leider tappt "Usher" in die verführerische Falle, die "Drogen sind Horror"-Metapher mit einem Holzhammer dem Publikum überzuziehen, von Subtilität bleibt hier nichts mehr übrig. Es scheint in der Serie bald nur noch darum zu gehen, dass die bösen Reichen für ihre (Drogen-)Sünden bestraft werden müssen, was sehr schnell ermüdend wirkt. Weil: Ja, eh. 

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"Final Destination"-Vibes

Ermüdend ist genauso die Struktur der Serie an sich: Jede Folge erzählt von einem anderen Usher-Erben und wie er/sie den Tod findet. Da kommen natürlich unwillkürlich "Final Destination"-Vibes auf, auch, was die sehr außergewöhnlichen (und manchmal schwarzhumorigen, aber immer sehr brutalenTodesarten betrifft.

Für diesen morbiden Spaß muss man zugänglich sein, schwer wegzudiskutieren lässt sich allerdings, dass der unausweichliche Tod der "Kinder" (die natürlich alle wahre Ungustl sind) einiges an Spannung nimmt, weil man ja schon weiß, was (immer und immer wieder) kommt. Auch eine tiefe Charakteranalyse und -entwicklung wird so nicht möglich, dafür kommen und gehen die Figuren viel zu schnell. Weniger Charaktere wären hier hilfreich gewesen. Genauso wie weniger Flashback-Szenen (die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen), die einen immer wieder aus dem Geschehen herausreißen.

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Obwohl Flanagan mit Jump-Scares und Alptraum-verursachenden Szenen nicht geizt, sollte man nicht ein Horror-Spektakel erwarten, das von Minute Null an Vollgas gibt: Im typischen "Flanagan"-Stil lässt sich "Usher" Zeit und es dauert bis zur vierten Episode, bis die Handlung wirklich Fahrt aufnimmt. Das ist okay, muss man aber mögen. Geduld sollte man bei der Serie aber auf jeden Fall mitbringen. Dafür wird man mit einem sich permanent steigenden Gefühl des Schreckens und einer sich verdichtenden Aura des Unheilvollen belohnt, in der sich am Ende jedes noch so kleine Detail als wichtig entpuppt.

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Mark Hamill als böser Glanzpunkt

Auch am Cast lässt sich nicht viel aussetzen, Flanagan greift auf seine bewährten und talentierten Stamm-Schauspieler:innen aus seinen vorherigen Produktionen zurück. Besonders stechen aber Bruce Greenwood ("Doctor Sleeps Erwachen") als alter Roderick Usher, der an seinem eigenen ungeschliffenes Grauen und seiner in Mitleidenschaft gezogenen Psyche zerschellt, sowie Mark Hamill als Anwalt Arthur Pym hervor. Endlich und sehr unerwartet darf Hamill endlich abseits von Luke Skywalker zeigen, was er als facettenreicher Schauspieler mit Gänsehaut-Stimme drauf hat. An der Ungustl-Rolle hat der 72-Jährige sichtlich Spaß und er stiehlt mühelos seinen Kolleg:innen die Show.

Fazit

Mike Flanagan geht in "Der Untergang des Hauses Usher" zwar würdevoll mit den historischen Vorlagen um, durch die betont modernisierte Drogen-und Gier-Metapher sowie den dramaturgischen Redundanzen büßt die Serie aber einiges an revolutionärem Charakter ein. Flanagan-Fans werden an "Usher" ihre Freude haben, Poe-Fans vielleicht auch, neue werden aber nicht dazukommen. Bei weitem kein Reinfall und für einen Halloween-Binge-Abend durchaus geeignet, aber es wäre mehr drin gewesen. 

3 von 5 Sternen

Für Fans von: "Succession", "Midnight Mass", "Spuk in Hill House", "Spuk in Bly Manor", "Gänsehaut um Mitternacht", "Final Destination"
 

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