Filmkritiken

"Der Fall Richard Jewell" auf Sky : Vom Helden zum Sündenbock der Medien

Da Hofer war's im 20er-Haus, der schaut mir so verdächtig aus. Vorurteile, Vorverurteilungen und Medienhetze sind ein altbekanntes Gift – nicht nur in den USA und nicht erst, seitdem soziale Medien das Problem noch verstärkt haben. In seinem neuen Film über US-amerikanische Alltagshelden greift Regisseur Clint Eastwood dieses brandaktuelle Thema am Beispiel einer wahren Geschichte aus dem Jahr 1996 auf und macht daraus einen altmodischen, aber fesselnden Mix aus Crime-Drama und Biopic.

Bombe im Rucksack

Richard Jewell war im Jahr 1996 als Security-Mitarbeiter einer privaten Firma während der Olympischen Spiele in Atlanta beschäftigt. Der pedantische Mann mit dicklicher Statur entdeckte während einer Veranstaltung einen Rucksack mit einer Rohrbombe. Er informierte unverzüglich die Polizei und half bei der Evakuierung der Menschen als die Bombe explodierte. Bei dem Attentat starben zwei Menschen, 111 Personen wurden verletzt.

Heute würde ein unbeaufsichtigter Rucksack vermutlich sofort Alarm auslösen. Doch damals – rund fünf Jahre vor dem 11. September 2001 – war es vor allem der peniblen Genauigkeit von Jewell zu verdanken, dass nicht viel mehr Menschen getötet und verletzt wurden.
 

Loading ...

Vom Helden zum Verbrecher

 

Kurz feierten die Medien den Mann auch als Helden. Das änderte sich aber als die Zeitung "Atlanta Journal-Constitution" über Ermittlungen des FBI gegen Jewell berichtete und er in einem Artikel der Journalistin Kathy Scruggs als schrulliger Sonderling dargestellt wurde, der dem Profil des "einsamen Bombers" perfekt entspräche. Damit wurde eine Medienhetze gegen den unschuldigen Mann losgetreten, die sein Leben und das seiner Mutter Bobi, bei der er wohnte, zur Hölle machten.

Alle Inhalte anzeigen Alle Inhalte anzeigen

Fesselnder Mix aus Crime-Drama und Charakterstudie

Clint Eastwood versteht es einmal mehr aus einem Fall, der auf den ersten Blick bestenfalls für einen Fernsehkrimi taugt, ein bewegendes Plädoyer gegen die Vorverurteilung in den Massenmedien zu machen. Das gelingt dem einfühlsamen Regisseur zunächst durch das gelungene Drehbuch aus der Feder von Billy Ray ("Operation: Overlord", "Captain Phillips"), das wiederum auf einem journalistischen Artikel von Marie Brenner in "Vanity Fair" über den Fall basiert.

Außerdem kann sich die Besetzung sehen lassen: Paul Walter Hauser brilliert als pedantischer Außenseiter Richard Jewell, der bei seiner Mutter wohnt und scheinbar nach Anerkennung giert – tatsächlich aber nur ein schrullig-penibler Nerd ist, der gerne Sheriff spielt. Seine Obrigkeitsgläubigkeit und der Wunsch, selbst ein Gesetzeshüter zu sein, prägen ihn so sehr, dass er sich sogar selbst damit schadet. Immer wieder hilft er dem FBI dabei, seine verfassungsmäßigen Rechte auszuhöhlen und gegen ihn zu ermitteln. Erst sein Anwalt Watson Bryant (Sam Rockwell) kann ihn davon überzeugen, sich nicht alles gefallen zu lassen. Kathy Bates brachte die Rolle der Mutter Bobi Jewell eine Oscar-Nominierung als beste Nebendarstellerin ein.

Alle Inhalte anzeigen

Sexistisches Klischee

Lediglich die Darstellung der der Journalistin Kathy Scruggs (Olivia Wilde) kann als klischeehaft kritisiert werden. Denn in einer Szene wird ihr unterstellt, sie habe ihre Information über die FBI-Ermittlungen gegen Jewell von dem FBI-Agenten Tom Shaw (Jon Hamm) aufgrund sexueller Gegenleistungen erhalten. Diese Darstellung wurde in den USA zurecht als unnötiges sexistisches Klischee kritisiert, vor allem auch deshalb, weil die echte Kathy Scruggs bereits verstorben ist (wie übrigens auch Richard Jewell selbst). Noch dazu ist der im Film dargestellte FBI-Agent eine fiktive Figur, die einer Kombination mehrerer Ermittler im tatsächlichen Fall entspricht.

An dem gelungenen Plädoyer gegen Vorverurteilung und Medienhetze, das Clint Eastwood mit "Der Fall Richard Jewell" inszeniert hat, ändert diese kurze Szene aber nichts.

"Der Fall Richard Jewell" ist ab sofort auf Sky verfügbar.