Filmkritiken

"Bones and All": Timothée Chalamet als verliebter Kannibale

Die junge Maren Yearly (Taylor Russell ) hat ein Problem. Immer wenn sie anfängt, Menschen zu mögen, verspürt sie das dringende Bedürfnis sie zu beißen. Nein, nicht nur anzuknabbern, sondern sie wortwörtlich mit Haut und Haaren und Knochen zu essen. Als sie 18 Jahre alt wird, läuft auch ihr Vater von ihr davon und hinterlässt eine Reihe an Tonbändern, die Maren dabei helfen sollen, ihre leibliche Mutter zu finden. Sie macht sich auf einen Roadtrip quer durch die USA und lernt dabei auch andere Kannibalen und Kannibalinnen kennen, die ihr ein Gefühl von Zugehörigkeit geben.

Einer dieser Kannibalen ist Lee (Timothée Chalamet), ein junger Mann mit Vokuhila und Trash-Outfit, für den sie auch das erste Mal so etwas wie Liebe verspürt. Gemeinsam reisen sie in Marens schmerzvolle Vergangenheit und müssen feststellen, dass auch die liebevollsten Menschen Abgründe in sich tragen.

Alle Inhalte anzeigen Alle Inhalte anzeigen

Ohnmächtiger bei Filmpremiere

"Bones and All" ist ein schockierender Film und nichts für zart besaitete Seelen. Hier wird ordentlich in die Gore-Trickkiste gegriffen: Finger, Nippel, Wangen ... nichts ist vor den hungrigen Bissen der ProtagonistInnen sicher. Doch nicht nur die Bilder bringen hier einem zum Gruseln, auch bei der Tonebene dreht sich einem der Magen um.

Das Übelkeitsgefühl geht soweit, dass bei der Österreich-Premiere auf der Viennale 2022 zahlreiche GästInnen sogar den Saal verließen. Der Autor dieses Artikels wurde während der Sichtung des Filmes sogar Zeuge von einem Mann, der ohnmächtig zu Boden fiel, als er den Kinosaal verlassen wollte. Nachdem man ihn in stabile Seitenlage gebracht, wachgerüttelt und mit Wasser versorgt hatte, kam er wieder zu sich, doch schien von dem Gesehenen sichtlich geschockt zu sein. Deshalb: Kinobesuch auf eigene Gefahr!

Alle Inhalte anzeigen

Wie gut ist "Bones and All"?

Zweifellos ist "Bones and All" ein blutrünstiges Kinoerlebnis, doch leider hat der Film abseits davon nicht sehr viel zu bieten. Die Handlung zieht sich sehr schleppend voran und man wird auch nach vierzig Minuten das Gefühl nicht los, dass der Film noch immer nicht richtig angefangen hat. Maren wird auf ihrer Reise mit zahlreichen unterschiedlichen Menschen konfrontiert, die mal mehr, mal weniger interessant sind, aber im Grunde der Geschichte zu wenig emotionale Tiefe verleihen, um tatsächlich mit den Charakteren mitzufiebern.

Der einzige echte Bezugspunkt, den Maren und mit ihr auch das Publikum hat, ist Lee. Sie reisen in musikunterlegten Montagen im Sonnenuntergang durch das Land. Doch auch wenn sich immer wieder intime Augenblicke zwischen den beiden entwickeln könnten, bleiben die Emotionen stets auf der Oberfläche. Man bekommt einen "Instagram-Moment" nach dem anderen präsentiert, ohne dabei in die Geschichte des Films eintauchen zu können.

Alle Inhalte anzeigen

"Call Me By Your Name"-Regisseur

Regisseur Luca Guadagnino wurde auf den Filmfestspielen in Venedig mit dem Preis für die beste Regie ausgezeichnet. Er hat sein Gespür für Ästhetik bereits in Filmen wie "I am Love" und "Call Me By Your Name" unter Beweis gestellt, doch diesmal überlagern die geschönten Bilder den ohnehin schon dünnen Inhalt. Während er zu Beginn seiner Karriere noch Wert auf kluge Strukturen und subtilen Spannungsaufbau legte, scheint nun vor allem ein mäandernder Erzählrythmus die Leinwand zu beherrschen.

Alle Inhalte anzeigen

Timothée Chalamet und Taylor Russell

Die Hauptrolle wird von Taylor Russell gespielt. Sie machte sich vor allem mit ihrem Auftritt in "Waves" und "Escape Room" einen Namen. Mit Timothée Chalamet steht an ihrer Seite der Superstar einer neuen Generation. Die Zusammenarbeit mit Guadagnino in "Call Me By Your Name" machte ihn über Nacht zur Berühmtheit. Chalamet ist zwar ein fantastischer Darsteller, aber in "Bones and All" bleibt er vor allem durch seinen schrägen Look in Erinnerung. Es ist trotzdem durchaus wahrscheinlich, dass er eine Oscar-Nominierung für seine Leistung erhalten könnte.

Alle Inhalte anzeigen

Das größte Problem von "Bones and All" ist das zerfaserte Drehbuch, das auf dem gleichnamigen Roman von Camille DeAngelis basiert. Man bekommt immer wieder blutrünstige Momente und atmosphärische Sonnenuntergänge präsentiert, doch für einen Film mit 131 Minuten Lauflänge ist das eindeutig zu wenig!