
"Blood & Sinner"-Filmkritik: Vampirhorror voll Musik und Blut
Von Franco Schedl
Gut möglich, dass sich Michael B. Jordan schon längst nach einem Zwillingsbruder gesehnt hat. In "Blood & Sinners" erfüllt er sich jetzt diesen Wunsch durch einen Trick – er spielt nämlich eine Doppelrolle. Zu zweit fällt den Smoke-Zwillinge Elijah und Elias die Jagd auf Vampire auch wesentlich leichter – sollte man meinen.
Um noch einmal ganz von vorne anzufangen, sind die beiden 1932 aus Chicago (wo sie etliche krumme Dinger gedreht haben) in ihre alte Mississippi-Heimat zurückgekehrt und eröffnen in einer stillgelegten Mühle ein Nachtlokal. Doch plötzlich stehen Untote vor der Tür auf und haben großen Appetit auf Musik und das Blut der Gäste.
Unkonventioneller Horror der langsameren Art
"Black Panther"- und "Creed"-Regisseur Ryan Coogler reiht sich diesmal ganz in der Tradition von Jordan Peele ein und überrascht uns mit einem unkonventionellen Horrorfilm, der noch lange nachklingen wird – und zwar nicht nur, weil sich hier alles um Musik dreht, sondern vor allem aufgrund der reichhaltigen Thematik und dem anspielungsreichen Subtext der Story.
Wer sich hier allerdings auf einen schnörkellosen Horrorfilm eingestellt hat, der bereits ab der ersten Minute voll aufdreht und uns keine Verschnaufpause gönnt, sondern von Jumpscare zu Jumpscare springt, wird enttäuscht sein. "Blood & Sinners" lässt immerhin gleich in der Eröffnungsszene durchblicken, dass hier etwas Schreckliches passiert sein muss, doch als dann eine Rückblende um 24 Stunden erfolgt, geht es Coogler im Aufbau der Erzählung sehr gemächlich an und führt viele unterschiedliche Figuren ein. Gegen Ende erwarten uns dann aber gleich mehrfach gestaffelte Gewaltausbrüche in einem blutigen Showdown.
Besondere Vampire
Erst nach rund 45 Minuten kommen auch die Vampire ins Spiel. Diese Blutsauger geben sich einerseits ganz traditionell, vertragen keinen Knoblauch, werden von der Sonne gegrillt, können durch Holzpflöcke gepfählt werden und haben nett leuchtende Augen, die einem "Twilight"-Vampir zum vollständigen Glitzer-Glück noch gefehlt hätten. Auch der Umstand, dass sie von sich aus kein fremdes Haus betreten können, sondern durch die Bewohner freundlich hereingebeten werden müssen, ist altbekannt. Andererseits verhalten sie sich aber ziemlich ungewohnt und sind regelrecht musikbesessen, wobei ihr irischer Anführer Remmick (Jack O'Connell) den Ton angibt. Während die Scheune vom Blues erfüllt ist, stimmen die Untoten auf dem Feld davor ihre eigenen Gesänge an.
Macht der Musik
Wenn ein echter Ausnahmekünstler seine ganze Seele in die Musik legt, kann das nicht nur im menschlichen Publikum Begeisterungsstürme hervorrufen, sondern auch das Böse anlocken. Das ist laut Folklore schon immer so gewesen, wie uns gleich zu Filmbeginn mitgeteilt wird. Der junge Sammie (Miles Caton) gehört auch zu dieser Zunft und als er in der alten Mühlenscheune erstmals aufspielt, führt das zu einer aufregenden Szene, die visuelle eindrucksvoll umgesetzt wurde: Die Gegenwart ist aufgehoben und in einer einzigen Einstellung versammeln sich die unterschiedlichsten Musiker aus den verschiedensten Zeiten an diesem Ort. Der Prediger-Sohn Sammie erweist sich zugleich immer stärker als der eigentliche Held dieser Erzählung und wir erleben die Geburt eines großen Künstlers, der durch diese eine - in jeder Weise unglaubliche - Nacht fürs weitere Leben geprägt sein wird.
Tarantino lässt grüßen
Was vordergründig als Vampirfilm erscheint, kann zugleich auch als bissiger Kommentar über das Musikbusiness gesehen werden, der zeigt, wie Schwarze Blueskünstler von den Weißen vereinnahmt und kommerzialisiert werden (Weiße Vampire als Blues-Sauger sozusagen). Außerdem geht die Gefahr nicht nur von den beißwütigen Untoten aus, denn gerade in dieser Zeit der frühen 30er-Jahre lauert im Süden der USA als sehr reale Bedrohung gleich hinter der nächsten Ecke der Ku-Klux-Klan.
Soziale Spannungen, Folklore, Horror und Musik ergeben eine ebenso aufregende wie aufrüttelnde Mischung. Vielleicht haben sich einige von uns, die auf seltsame Tagträume spezialisiert sind, schon mal gefragt, was dabei herausgekommen wäre, wenn Tarantino eine Schwarze Musical-Version von "From Dusk Till Dawn" gedreht hätte? "Blood & Sinners" bietet die eindrucksvolle Antwort darauf. Als Michel B. Jordan dann zuletzt einen Sarg öffnet und seine Rache voll auskostet, verwandelt er sich auch noch in einen Black Django – aber in dem Fall waren Tarantino und Jamie Foxx dann doch wieder eindeutig schneller.
4 ½ von 5 lichterloh brennenden Untoten
"Blood & Sinners" ist derzeit in unseren Kinos zu sehen. Hier geht's zu den Spielzeiten!