Filmkritiken

"Arnold": Lohnt sich die Netflix-Doku über Schwarzenegger?

In unserer neuen Rubrik "Lohnt sich das?" stellen wir euch einmal wöchentlich einen Streamingtitel (Film oder Serie), der in aller Munde ist, vor, nehmen ihn genauer unter die Lupe und fragen für euch die altbekannte Frage: "Lohnt sich das überhaupt?" Lohnt es sich, dafür Zeit zu investieren? Ein Abo abzuschließen? Oder ein Abo zu beenden?

Diesmal(Alle Folgen von) "Arnold" auf Netflix

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Mit dem futuristischen Actionstreifen "Terminator" schrieb Arnold Schwarzenegger 1984 Filmgeschichte – und das, obwohl er nur circa 70 Worte im gesamten Film spricht. Im Grunde braucht es dafür aber sowieso nur eine Handvoll: "I'll be back' nämlich, was Arnie in den kommenden Jahrzehnten nicht nur als Cyborg eindrucksvoll unter Beweis stellen sollte (und der übrigens improvisierte Sager wurde vom American Film Institute auf Platz 37 der 100 berühmtesten Filmzitate gewählt).

In der neuen Netflix-Doku "Arnold", die nur wenige Wochen nach seiner Netflix-Serie "Fubar" erscheint, lässt Schwarzenegger wesentlich mehr vom Stapel als bloß 70 Worte. Überraschend tiefe, ehrliche und intime Einblicke in sein Berufs- und Privatleben gewährt uns der mittlerweile 75-jährige Kultstar darin, eingebettet in einer Fülle an teils unveröffentlichtem Archivmaterial.

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Ausgelassen wird in der dreiteiligen Dokuserie (eine Folge umfasst 60 Minuten) zwar natürlich trotzdem ein bisserl was, aber nicht sonderlich viel: Von seiner traumatischen Kindheit im steirischen Thal über seine beispiellose Bodybuilderkarriere (sieben Mal Mr. Olympia! Vier mal Mr. Universum!) bis hin zu seiner doppelten Amtszeit als Gouvernor von Kalifornien spricht Regisseurin Lesley Chilcott (die bereits zwei Oscars gewann) alles an, was Fans und auch Nicht-Fans interessiert. Und was auch Hardcore-Fans noch nicht wissen.

Denn Schwarzenegger erzählt von Details, die bisher nicht an die Öffentlichkeit gelangten, beispielsweise der Moment, als er seiner Frau Maria Shriver die Affäre mit der Haushälterin inklusive dem daraus entstandenen unehelichen Kind beichtete und wie dieser Fehler seine gesamte Familie zerstörte. Natürlich ist es jener Teil der Doku, auf den sich die Boulevardpresse schon vor der Veröffentlichung stürzte. Aber Arnies Leben beinhaltet so viel mehr als sein eheliches Versagen. 

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Bodybuilder – Filmstar – Politiker 

Die drei Folgen widmen sich jeweils den größten Lebensabschnitten Schwarzeneggers beziehungsweise seinen drei Personas: Bodybuilder – Filmstar – Politiker. Chronologisch hangelt sich Chilcott von einem Meilenstein in Schwarzeneggers Leben zum nächsten, ohne dabei aber jemals das Gefühl zu erwecken, einfach nur gewissenhaft Checkboxen abzuhaken. Als roter Faden dient natürlich das Interview mit Schwarzenegger selbst, gedreht bei ihm zuhause in den USA, aber in der ersten Folge darf er sogar durchs heimische Thal radeln und auf seinem alten Kinderbett sitzen. Was skurril und rührend zugleich wirkt.

Immer wieder werden die Rückblicke auf sein Leben durch Szenen in der Gegenwart unterbrochen, in denen Arnie im Whirlpool Zigarre raucht, mit seinem Lieblingsauto durch die Gegend kurvt (und Zigarre raucht), seine Haustiere (Hund, Ponys und Esel) füttert, vor dem Kamin im XL-Fotoalbum blättert, fleißig pumpt oder bedeutungsschwanger in die Ferne blickt (gerne mit Zigarre). Das ist für solch eine Doku kein ungewöhnlicher dramaturgischer Kniff, passt aber durchaus, weil wir der Legende Arnold Schwarzenegger somit ein Stückchen mehr auf die Spur kommen und die drei Folgen nicht zum faden Referat über sein Leben werden.

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Der Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart unterstreicht die Inszenierung von Arnies Leben als Heldenreise; mit Anfang, Mittelteil und Schluss, vielen Ups und paar Downs dazwischen, aber immer mit einem Protagonisten, der sich ganz am Ende die Krone am Haupt richtet und sagt (und das ist auch der letzte Satz der Doku): "Let's go to work!" Weil ein Schwarzenegger, der lässt sich einfach nicht unterkriegen. Und wenn jemand wie Netflix gerade mit Imageproblemen zu kämpfen hat, auch dann holt man einen wie Arnie ins Boot. Weil der richtet's immer.

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Lebensweisheiten á la Arnie 

Dokus über und vor allem mit Stars sind gerne eine Spiegelreflektion des porträtierten Promis selbst: Es wird  gezeigt, wie er oder sie sich selbst sieht. "Arnold" ist hier keine vollkommene Ausnahme: Schwarzenegger und Regisseurin Chilcott tun viel, ihn als Macher in Szene zu setzen, als Personifizierung des American Dreams, als Visionär und als freundlicher, aber selbstbewusster Riese, dem das kleine Österreich schnell viel zu eng wurde.

Dementsprechend gibt Arnie auch zahlreiche Lebensweisheiten im Verlauf der drei Stunden zum Besten, beispielsweise: "Im Leben geht es nur ums Verkaufen!" oder auch "Schicksal ist das, was wir draus machen!". Manchmal muss man dabei auf der Couch schmunzeln, manchmal ertappt man sich aber auch dabei, wie man anerkennend nickt und das eigene Gehirn zu rattern beginnt. Kalt lässt "Arnold" einen jedenfalls niemals. Die Doku und die Person. 

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Der Versuch des Nicht-Mögens scheitert 

Vielleicht ist genau das auch bis heute das Geheimnis der Faszination von Arnold Schwarzenegger: Dass er es fast schon spielerisch immer wieder schafft, sich nicht nur mit Muskelkraft, sondern auch mit larger-than-life-Charisma in unsere Herzen zu kämpfen, egal, wie sehr man es sich vorher vorgenommen hat, diesen Selbstdarsteller mit übergroßem Ego nicht zu mögen oder eine Streaming-Doku über ihn einfach nur peinlich zu finden. Am Ende von "Arnold" gelingt einem beides nicht so richtig. 

Denn auch wenn die High-Quality-Doku mitunter ins Pathetische abdriftet (wir befinden uns schließlich immer noch bei Netflix!) und sie dann und wann wie ein Imagefilm für "seinen" Star wirkt (was in Bezug auf Österreich übrigens nur in Maßen gelungen ist – mehr Klischee-Bilder gingen gar nicht mehr; untermalt mit dem Song "Marmor, Stein und Eisen bricht", kein Witz!), so lassen die drei Folgen einen am Ende doch bewundernd und ehrfürchtig zurück. Ja, weil Schwarzeneggers Ehrgeiz nun mal einmalig und sein Weg vom Steirerbua bis zum "Elder Statesman mit globaler Bedeutung", wie es in der letzten Episode heißt, mehr als beeindruckend ist.

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Wenn die Muskeln schmerzen 

Am meisten Respekt ringen einem aber jene Szenen ab, in denen sich Arnie – Selbstvermarkter per excellence hin oder her – von seiner verletzlichen, geläuterten und reflektierten Seite zeigt – und das, obwohl Emotionen dank seinem strengen Vater ja nicht so sein Ding sind. Genauso, wie er voller Stolz über seine Errungenschaften spricht, so gibt er offen seine Niederlagen und Fehler zu, seine charakterlichen Schwächen und seine Reue ebenso wie sein Problem mit dem Älterwerden (und verlautbart nebenher überraschend, dass ihm die Rolle in "Twins" am ähnlichsten von all seinen Filmrollen ist). 

Neben dem Tod seines Bruders und der schwierigen Kindheit ist es tatsächlich der Teil über Arnies und Marias Scheidung, die zu den Highlights von "Arnold" zählen: Unumwunden nennt Schwarzenegger die Affäre als einen  der größten Fehler seines Lebens, gibt zu, damit viel Leid über die Familie gebracht zu haben und dass heute nichts mehr so ist wie früher. Und das erste Mal in den drei Stunden wirkt der immer noch imposante 75-Jährige tatsächlich wie ein alter, einsamer Mann, der rückblickend vieles bereut. Der aber immerhin mittlerweile die richtigen Dinge über die falschen Dinge in seinem Leben sagt.

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Dass Chilcott nicht nur Arnies Freund:innen, Kolleg:innen und Bewunderer:innen zu Wort kommen lässt (darunter große Namen wie James Cameron, Sylvester Stallone, Danny DeVito, Jamie Lee Curtis und Linda Hamilton), sondern auch seine Kritiker:innen, muss ihr und Netflix zugute gehalten werden. Klar, die negativ-kritischen Aspekte über Arnie in der Doku halten sich in Grenzen und werden gleich danach als "weitere Hürde auf der Reise, die der Held zu überwinden hatte" dargestellt, aber das liegt nun mal in der Natur der (Doku-)Sache; eine Beyonce oder Demi Lovato macht es in einer ihrer zig Dokus nicht anders, sogar tausendmal verstärkt.

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Denkmal für Schwarzenegger 

Zum Schluss von "Arnold" sagt Arnold, bevor er das Fotoalbum schließt: "Ich hatte ein Leben, das nahezu perfekt war. Es kam mir nur zu kurz vor." Gänsehaut. Und: "Ich hoffe, die Menschen werden nach meinem Tod sagen: Er hat was verändert." Wieder Gänsehaut. Wenn er dann mit anderen alten (und nicht im Sinn von langjährigen!) Freunden am Stammtisch sitzt und das erste Mal in der Doku im breiten steirischen Dialekt zu hören ist (wenn geht, die Doku im Original ansehen: Arnies englischer Dialekt ist nach wie vor legendär!), dann menschelt es noch einmal ganz gewaltig, ohne dabei kitschig zu werden. 

Danken wir der Streamingplattform Netflix also, dass sie Arnold Schwarzenegger unverhofft einen nochmaligen späten Karriereschub verpasst hat. "Arnold" setzt der Marke, aber auch dem Menschen Arnold Schwarzenegger ein würdiges Denkmal, im klassischen Ami-Stil und eben genau so, wie es nur die Amerikaner können. Und genau darüber freut sich niemand mehr als Schwarzenegger selbst.

4 von 5 Sternen

Für Fans von: "Fubar", "Terminator" und allen anderen Schwarzenegger-Werke