Filmkritiken

"791 km"-Kritik: Eine Komödie mit Tiefgang und Stars

Fünf Menschen in einem Taxi. Im Roadmovie "791 km" zeigen Stars wie Iris Berben und Joachim Król, wie aufregend das sein kann. Sie verführen das Publikum zu Lachsalven und zu Tränen der Rührung. Zu sehen ab 15. Dezember in den heimischen Kinos.

 

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Die Geschichte beginnt wie eine 08/15-Krachklamotte: Unwetter in München. Alle Züge stehen still. Flugzeuge sind auch keine unterwegs. Vier Menschen wollen am nächsten Morgen unbedingt in Hamburg sein. Mit Humor, Überredungskunst und zunächst nur wenig Charme bringen sie einen Mann am Steuer eines Taxis dazu, sie die anstehenden 791 km in die Hansestadt zu fahren. Es ist voraussehbar, dass sie sich auf der langen Strecke näherkommen.

Nicht voraussehbar ist, wie das geschieht. Drehbuchautor Gernot Gricksch ("Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe") und Regisseur Tobi Baumann ("Der Wixxer"), von dem auch die Idee zum Film stammt, bieten einige Überraschungen. Sie begeistern sowohl mit unvorhersehbaren Wendungen der Story als auch mit stilistischer Feinheit. Am schönsten dabei ist der Wandel des Erzähltons von anfänglicher Brachialkomik zu einer bewegenden Nachdenklichkeit.

Je länger die Fahrt dauert, umso mehr offenbaren die Beteiligten auch Schwächen. Marianne (Iris Berben), Wissenschafterin im Ruhestand, hat sich einer schrecklichen Wahrheit zu stellen. Das nicht sehr glücklich anmutende Paar Tiana (Nilam Farooq) und Philipp (Ben Münchow) muss sich eingestehen, dass alle vorgeführte Selbstsicherheit nicht echt ist. Die scheinbar kindlich-naive Susi (Lena Urzendowsky) lernt, dass sie erst mal zu sich selbst stehen sollte, ehe andere sie annehmen können. Und Fahrer Joseph sieht sich gezwungen, gleich einen ganzen Sack an Lebenslügen auszupacken.

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In einigen stark von widersprüchlichen Gefühlen aufgeheizten Momenten erreicht die über weite Strecken launige Komödie eine erstaunliche Wahrhaftigkeit. Bei vielen im Publikum dürfte mehrfach Taschentuchalarm ausgelöst werden. Doch kitschig wird das nie. Droht das, steuert oft leiser, ab und an auch deftiger Witz dagegen. Die damit effektvoll zwischen Komik und Tragik balancierende Inszenierung schafft es immer wieder, die Untiefen drohender Sentimentalität zu umfahren.

Iris Berben gelingt es in einigen Szenen auf verblüffende Weise, flirrende Albernheit und tiefe Traurigkeit miteinander in Einklang zu bringen. Es sind die kleinen Mittel, die große Wirkung erzielen, hier ein Schweigen, da ein schiefes Lächeln, dort eine fahrige Handbewegung. Niemand überzieht im Spiel. Selbst wenn der Humor mal vordergründig anmutet, scheint eine sensible Mehrdeutigkeit auf. Das gesamte Ensemble agiert mit souveräner Leichtigkeit.

Allen Mitwirkenden gelingen scheinbar im Handumdrehen höchst glaubwürdige Charakterzeichnungen. Deshalb agieren keine ausgedacht erscheinenden Typen. Zu erleben sind Menschen mit kleineren und größeren Problemen, an deren Seite man gern wäre, um zu helfen, aber wohl auch, um sich selbst helfen zu lassen. Die Wahrhaftigkeit der Darstellungen bewirkt, dass wohl viele im Kinosaal bei aller Anteilnahme am Geschehen auf der Leinwand auch beginnen, über das eigene Dasein nachzudenken.

(Von Peter Claus/dpa)