Entschleunigter Hotelalltag mit Caine und Keitel
Von Franco Schedl
Obwohl der Titel offenbar das Gegenteil behauptet, ist Paolo Sorrentinos neuestes Hochglanz-Werk eine Meditation über das Alter und verbreitet nicht ohne Grund eine gewisse Zauberberg-Atmosphäre: immerhin wurde großteils im Davoser Hotel Schatzalp gedreht - jenem ehemaligen Sanatorium, das Thomas Mann zu seinem berühmten Roman inspirierte, in dem ebenfalls das Vergehen der Zeit eine wichtige Rolle spielt.
In Youth treffen wir an diesem Schauplatz ein Jahrhundert später keine Lungenkranken mehr, sondern zwei alte Künstler, die seit 60 Jahren miteinander befreundet sind und nun gemeinsam einige Tage in dem Schweizer Wellness-Tempel verbringen. Fred Ballinger ( Michael Caine) ist ein gefeierter Komponist und Dirigent, der über den Tod seiner Frau nicht hinwegkommt und öffentlichen Auftritten entsagt hat nicht einmal ein ausdrücklicher Wunsch der Queen kann ihn umstimmen.
Harvey Keitel spielt hingegen einen nach wie vor äußerst aktiven Filmregisseur, der in dieser Luxusbleibe gerade sein finales Werk ausarbeitet; nur das Finden eines passenden Endes bereitet ihm Schwierigkeiten, und auch sein fünfköpfiges Begleitteam von Drehbuchautoren bleibt ziemlich ratlos. Abgesehen von Rachel Weisz als Caines Filmtochter, die eine wichtige Nebenrolle spielt, haben wir es hier mit einem durchaus männerdominierten Film zu tun, weil eben alles auf die beiden großartigen Hauptdarsteller ausgerichtet bleibt; aber im letzten Drittel absolviert dann immerhin noch die wundervolle Jane Fonda einen eigenwilligen Auftritt.
Mit feinem Humor findet Sorrentino immer wieder perfekte Bilder für seine zentralen Themen und folgt dem entschleunigten Hotelalltag der alten Herren: sie führen mit Vorliebe Gespräche über Harnverhaltung oder überbieten sich im Aufzählen ihrer nachlassenden Kräfte, während die anderen Gäste seltsame Wellness-Rituale praktizieren und zum Beispiel geriatrische Wasserballette veranstalten. Obendrein lässt sich der Regisseur in bester Fellini-Tradition - die Gelegenheit nicht entgehen, etliche andere (meist skurrile) Figuren vorzuführen, denn in dem noblen Schweizer Domizil verkehrt natürlich auch ein internationales Publikum: von einem buddhistischen Mönch über einen dickleibigen Mann, der Diego Maradona sein könnte, bis zur Miss Universum steigen alle dort ab - und in einer surrealen Szene nimmt sogar ein uniformierter Mann mit komischem Bärtchen im Speisesaal Platz.
In Youth kann die Zeit schon mal verrücktspielen und die Uhren scheinen anders zu gehen - man muss sich eben auf ein langsameres Tempo einstellen, das dem hohen Alter angemessen ist. Diese Gemächlichkeit findet auch darin einen Ausdruck, dass der Filmtitel erst nach 15 Minuten auf der Leinwand erscheint.
8 von 10 abgestorbenen grauen Hirnzellen.