Filmkritiken

EIN SÜNDENBOCK IN DER SOUTANE

Schwergewichtige Priester, die mit Verbrechen zu tun hatten, gab es schon früher: der bekannteste Vertreter dieser Gattung ist natürlich Pater Brown (und wenn es denn sein muss Ottfried Fischer in der deutschen Variante). Aber noch keiner von ihnen war wohl in dieser ganz speziellen Notlage, in der sich Brendan Gleeson hier als irischer Dorfpfarrer befindet.

Er macht sich nämlich daran, ein Gewaltverbrechen zu verhindern, bei dem er selber zum potentiellen Mordopfer werden soll, weil er sich dank seiner menschenfreundlichen Unschuld in den Augen des Täters als perfekter Sündenbock anbietet. Außerdem befindet sich der Mann in der privilegierten Lage, seinen künftigen Mörder persönlich zu kennen, während wir als Zuschauer leider nicht über diesen Wissensvorsprung verfügen und folglich eine ganze Reihe möglicher Verdächtiger geboten bekommen.

Im Grunde reicht es völlig, wenn eine Großaufnahme von Gleesons Gesicht die Leinwand füllt und Regisseur McDonagh macht von dieser Option auch ausgiebig Gebrauch, wie wir gleich in den ersten Filmminuten zu sehen bekommen. "Cavalry", so der Originaltitel, wurde tatsächlich ganz auf Gleeson zugeschnitten, der in jeder einzelnen Szene präsent ist, an Wortwitz nicht spart und immer wieder neue Facetten seines Charakters enthüllt. Was nicht heißen soll, dass es nicht auch genügend andere komplexe Figuren gibt.

Dem Geistlichen bleibt eine Woche, sich auf seinen Tod vorzubereiten oder den künftigen Täter daran zu hindern, den Mordplan auszuführen. In dieser Zeit voller Überraschungen (allerdings meist unangenehmer Natur) geht er auch gewöhnlichen seelsorgerischen Pflichten nach und wir lernen allmählich die Menschen seiner näheren Umgebung besser kennen.

Man würde gar nicht glauben, wie vielfältig die Einwohnerschaft einer irischen Kleinstadt sein kann: da gibt es einen alten Schriftsteller mit Todessehnsucht, einen zynischen Arzt, einen jungen Mann mit zu wenig Sex, eine Frau mit zu viel davon, einen schwarzen Automechaniker, einen gelangweilten Reichen, den das Leben anödet, einen verurteilten Serienkiller - und einer von ihnen ist womöglich ein früheres Opfer sexuellen Missbrauchs durch einen Geistlichen, der nun auf spektakuläre Rache sinnt.

In einer etwas spirituelleren Zeit hätte man noch gesagt: dieser Film wirkt wie eine geglückte Predigt – er hallt noch lange in uns nach und liefert Dankanstöße statt gebrauchsfertigen Antworten.

9 von 10 abgefackelte Gotteshäuser.

Alle Inhalte anzeigen