Filmkritiken

Ein stummer Artist

"Superidee - ein Stummfilm über die Stummfilmära und das in Zeiten von 3D und Dolby Surround. Wahnsinn, geht’s Dir eh noch gut?" So in etwa waren wahrscheinlich die Reaktionen einiger Zeitgenossen von Regisseur Michel Hazanavicius, als er sie mit seinem außergewöhnlichen Projekt konfrontierte. Kann das gut gehen, 90 Minuten ohne Worte nur mit Musikuntermalung, ein Film der sich einzig und allein auf die Macht der Bilder und vor allem seine Schauspieler verlässt? Ja, es kann und es ging.

Der Star des Films ist - ein Filmstar! George Valentin (Jean Dujardin) ist der große Charmeur dieser Ära, ein Substrat aus den Helden dieser Zeit: eine Prise Fairbanks, ein bisschen Valentino und natürlich John Gilbert, dessen Lebensgeschichte sehr nah an Valentines Filmschicksal dran ist. Denn zu dessen unbefriedigendem Ehealltag kommt auch noch der drohende Epochenbruch in Filmbusiness, der Tonfilm steht vor der Türe, ja man hört ihn direkt klopfen und auch andere Geräusche von sich geben.

George glaubt nicht an das neue Medium, seine Kraft liegt in der Stille. Doch so wie andere vor und nach ihm schätzt er die Situation falsch ein und wird gnadenlos mit dem unabwendbaren Fortschritt konfrontiert. Als 1929 auch noch die Börse kollabiert - von den echten Krisen erfuhr man damals wie heute aus der Zeitung -, beschleunigt das noch seinen Abstieg. Rettung naht in Gestalt von Poppy Miller (Bérénice Bejo), einer jungen Frau deren erste Filmrolle durch ihn vermittelt wurde und die jetzt im Tonfilm ein Star ist, so wie er einst einer war. Poppy als „love interest“ Valentines zieht sich durch den ganzen Film und nun versucht sie, dem bewunderten Ex-Star wieder auf die Beine zu helfen.

Das klingt jetzt nicht nach einer wahnsinnig komplexen Story: boy meets girl und trotz beiderseitigem Gefallen wird aus dem einen oder anderen Grund nichts daraus - ist ja wirklich nichts Neues. Muss es auch nicht sein, denn es geht im Kino natürlich nicht nur um die Geschichte, die erzählt wird. Wie und mit welchen Bildern - das ist hier entscheidend, und wie „The Artist“ seine Geschichte erzählt, ist schlicht und ergreifend hinreißend.

Im perfekt gemachten Stil der Filme dieser Zeit, gespickt mit unzähligen Zitaten und Anspielungen, man merkt die Involvierung der Cinemathèque Française, zieht er den Zuseher nach anfänglicher Irritation - Hand aufs Herz, wann haben Sie das letzte Mal einen Stummfilm gesehen - in seinen Bann. Das Spiel der stimmlosen Darsteller, ihr Pathos, das gnadenlose Overacting, wird als das dargestellt was es war - eine eigene, faszinierende Kunstform. Das funktioniert natürlich nur, wenn man im Jahr 2011 Schauspieler hat, die so spielen können, wie es in den 1920er Jahren angesagt war. Besonders mit den beiden Hauptdarstellern hat Regisseur Michel Hazanavicius einen guten Griff getan, Bérénice Bejo gibt die selbständige und selbstbewusste Poppy mit einer Mischung aus Unschuld und Verruchtheit, die dieses Jahrzehnt wahrscheinlich auszeichnete. Jean Dujardin spielt Valentine nicht, er ist es, in jeder Geste, in jedem schmachtenden (Augen)Blick, und wenn die Academy die Kategorie „Bester Hauptdarsteller“ ernst nimmt, sollte ihm der Oscar nicht zu nehmen sein. denn einen ganzer Film ohne Worte, „nur“ mit Fokus auf Mimik und Körpersprache zu bestreiten, ist eine wirklich beachtliche Form der Darstellung.

Am Ende des Films hat man nicht nur eine schöne Zeit verbracht, sondern irgendwie eben auch ein bisschen Zeit in einer anderen Zeit - magisch!

Fazit:

„The Artist“ ist ein wirklich außergewöhnlicher Film mit ebensolchen Darstellern, er erzählt mit vermeintlich einfachen Mitteln eine vermeintlich einfache Geschichte und wird gerade dadurch zu einem bezaubernd komplexen und unterhaltsamen Film. Dafür gibt es redlich verdiente 8,5 von 10 stillen großen Gesten.

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