Filmkritiken

EIN ERASMUS-STUDENT WIRD ERWACHSEN

Menschen beim Älterwerden zuzusehen war immer schon schon eine große Faszination des Kinos. François Truffaut setzte mit seinem wunderbaren Antoine-Doinel-Zyklus einen hohen Maßstab: Über Jahrzehnte verfolgte er den Lebenswegs seines Alter Ego Jean-Pierre Léaud.

Im Gegenwartskino profilierte sich Richard Linklater mit einer Echtzeit-Trilogie. Zur ersten Begegnung zwischen Ethan Hawke und Julie Delpy kam es 1995 in "Before Sunrise" in Wien und endete in "Before Midnight" im Griechenland von 2013.

Der Franzose Cédric Klapisch hat Ähnliches im Sinn. Alles begann 2002 mit seiner Erasmus-Komödie "L’ Auberge Espagnol – Barcelona für ein Jahr", in der sein scheuer Student Xavier (gespielt von dem netten Romain Duris) ein WG-Zimmer sucht. Die Fortsetzung fand 2005 mit "L’ Auberge Espagnol – Wiedersehen in St. Petersburg" statt und wurde nun zu einer Trilogie abgerundet.

In dem nur mäßig inspirierten, musierend dahinplätschernden Abschlussteil kratzen die bewährten Ensemble-Mitglieder rund um Xavier – also Wendy, Isabelle und Martine – am 40er.

Sprich: Sie müssen sich mit dem Älterwerden konfrontieren. Für den Romanautor Xavier heißt das: Ein neues Buch verfassen und Ex-Ehefrau Wendy wegen der Kinder nach New York folgen. Zwei längliche Erzählstunden lang melkt Klapisch New-York-Klischees – super-teure Wohnungen, Green-Card-Scheinehe – bevor er ins zuckrig-romantische Happy End einschwenkt. Das allerdings weitgehend ohne gröbere Regieeinfälle: Zumeist sehen wir, was wir hören. Wenn Xavier seinem Verleger via Skype mitteilt, dass ihn seine Frau verlassen hat, sehen wir, wie ihn seine Frau verlässt.

Hegel

Klapisch zerlegt seine Geschichte in kleine, verzierte Häppchen, die oft nicht ganz so genial sind, wie sie gerne wären. Denn Klapisch ist weder Truffaut, noch Linklater und mangelt deren philosophischer Unterfütterung.

Stattdessen klopft während einer Schreibblockade Hegel (ja, der Hegel) an Xaviers Wohnungstür und zitiert aus seiner "Phänomenologie des Geistes". Derartig inspiriert, kann Xavier flugs an seinem eigenen Werk weiterfabulieren.

Sein Leben sei so kompliziert, klagt Xavier gegenüber seiner alten Liebe Martine (der immer-herzigen Audrey Tautou) und zählt auf: Scheidung, Umzug, Samenspende für Lesbe, Scheinehe ...

Tautou zieht ihre berühmte Schnute und sagt: "Man merkt, du hast noch nie in China gelebt."

So eine philosophische Bemerkung schaffte nicht einmal Hegel.

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