"Ein ehrenwerter Bürger" Zurück zum Ursprung
Der argentinische Literatur-Nobelpreisträger Daniel Mantovani (Oscar Martinez) steckt in einer Schaffenskrise. Er sagt jegliche Würdigungen und kulturellen Events ab und zieht sich in seine Villa zurück. Eines Tages lädt ihn sein Heimatort Salas ein, um ihn zum Ehrenbürger zu ernennen. Nach anfänglichen Zweifeln beschließt er, nach über 20 Jahren in Europa wieder in seine Heimat zurück zu kehren, um den Ursprung seiner Kreativität aufzusuchen. In Salas angekommen wird er wie ein Fußballstar gefeiert - auch wenn die wenigsten seine Bücher gelesen haben, sind sie stolz auf ihren Nobelpreisträger. Als sich die Euphorie über den hohen Besuch legt, kommen die dunklen Seiten des Ortes zum Vorschein, und Daniel findet sich in einem Katz- und Mausspiel mit verärgerten Dorfbewohnern wieder.
Who is Who
„Ein ehrenwerter Bürger“ richtet seinen Blick auf Intellektuelle, die scheinbar ihren Bezug zum Volk verloren haben. Daniel Mantovani ist sich dieses Umstands bewusst und erhält dadurch den Antrieb für die Rückkehr in sein Heimatdorf. Das Spannende hierbei ist, dass die Bewohner der Provinz ihren Bezug zu Personen in der Öffentlichkeit verloren haben. Man sieht nur mehr die schillernde Figur mit dutzenden Auszeichnungen und Urkunden, und vergisst dabei den Menschen dahinter. Die Diskrepanz in der Wahrnehmung schafft das Fundament für Szenen, die sowohl unterhalten als auch zum Nachdenken bringen.
Komödie mit Niveau
Gastón Duprat und Mariano Cohn teilten sich die Positionen Drehbuch, Regie, Produktion und Kamera; diese totale Kontrolle über das Werk ist spürbar. Die Kameraarbeit ist großartig, jeder Schnitt ist durchdacht und jede Bewegung genau getimt: Autorenkino auf höchstem Niveau. Die hohe Schärfentiefe der Bilder erzeugt einen dokumentarischen Stil und hebt den Film vom gängigen Arthouse-Kino ab, trotz genau inszenierter Abläufe hat man den Eindruck, einen Hauch von Wirklichkeit mitzuerleben. Die Geschichte bietet großes Potential für ein düsteres Drama, das vermutlich bei Kritikern sehr gut angekommen wäre. Die Entscheidung des Duos, eine Komödie zu machen, spiegelt das Thema des Filmes wieder und wirft Fragen über den derzeitigen Filmmarkt auf. Als Drama hätte der Film ein weitaus geringeres Publikum erreicht und wäre nur von jenen wahrgenommen worden, vor denen Daniel versucht, zu flüchten.
Erfolg auch an den Kinokassen
Zum Glück steht die Komödie sowohl bei Kritikern als auch bei Kinobesuchern hoch im Kurs. Bei den Filmfestspielen in Venedig konnte Oscar Martinez den Preis als bester Hauptdarsteller gewinnen. Anschließend wurde der Film in zahlreiche Länder verkauft und konnte in Argentinien in zwei Wochen knapp 1,5 Millionen Dollar einspielen. In Spanien konnten die Verleiher ein ähnlich gutes Ergebnis erzielen. Der Film wurde als argentinischer Beitrag zu den Oscars geschickt, erhielt aber keine Nominierung.
"Ein ehrenwerter Bürger" ist einer der wenigen Filme, die sowohl beim Arthouse- als auch beim gängigen Publikum funktionieren. Keine hohle Komödie und kein Feel-Bad Movie. Bitte mehr davon!
Özgür Anil