EIN DIENER WEISSER HERREN
Von Alexandra Seibel
Von den blutigen Baumwollfeldern bis zu Barack Obamas Yes, we can ist es ein weiter Weg. Fast zu viel für ein Menschenleben.
Als kleiner Bub musste Cecil Gaines noch mitansehen, wie sein Vater vom Plantagenbesitzer in South Carolina kalt abgeknallt wurde. Am Ende seines Lebens besucht er den ersten schwarzen US-Präsidenten Obama im Weißen Haus als Ehrengast. Dort hatte er sein ganzes Leben als Hausbutler der Präsidenten gearbeitet: von Dwight David Eisenhower bis hin zu Ronald Reagan.
Diesen Diener vieler weißer Herren gab es wirklich. Eugene Allen arbeitete als Butler für sieben US-Präsidenten und wurde anlässlich der Kandidatur von Obama von einem Journalisten der Washington Post entdeckt.
Seinen schmerzhaften Marsch durch die rassistische Geschichte übernahm Forest Whitaker, der als Cecil Gaines mit seinem stoisch-heroischem Gesichtsausdruck auch noch den kleinsten Gefühlsregungen Ausdruck verleiht. Nun hat der afroamerikanische Regisseur Lee Daniels mit Filmen wie Precious und Paperboy seine Liebe für triefendes Melodram und einen lustvollen Hang zum Trashigen bewiesen. Der Butler erscheint da vergleichsweise glattgebügelt. Lee erzählt konventionell, oft am Rande zur Sentimentalität. Doch mit einem Händchen für Zeitkolorit und einem ausgeprägten Sinn für dramatische Details beflügelt er auch noch längst auserzählte Stationen der US-Geschichte.
Ein schwarzer Butler brauche immer zwei Gesichter, heißt es am Anfang: eines, das er sich für den Weißen und dessen Befehle zurechtlegt. Und ein privates, das er für sich behält. Einen doppelten Modus legt Daniels auch für seine Erzählung an: Er parallelisiert Cecils stummes Dienen mit der Geschichte der Bürgerrechtsbewegung. Während Cecil im Weißen Haus Ordnung hält, durchbricht sein Sohn Louis die rassistische Ordnung. Im Speisesaal des Präsidenten wird Silber poliert, im Restaurant in Memphis schwarze Besucher verprügelt. Diese wenig subtilen Parallelschaltungen verkünden klare moralische Botschaften. Auch grenzt sich Lee von radikaleren schwarzen Politbewegungen ab schlägt insgesamt einen versöhnlichen Geschichtston an. Dass er politische Konflikte in den familiären Bereich verlagert und zwischen Vater und Sohn aushandelt, kann man ihm ebenfalls vorhalten. Gleichzeitig aber entfacht er immer wieder ungeahnte Energien. Wenn Bürgerrechtskämpfer vom rassistischen Ku-Klux-Klan angegriffen und dabei fast gelyncht werden, befeuert Daniels seine Bilder mit schwelender Wut.
Auch kann Daniels gerade über das Private immer wieder hervorragend Nuancen setzen. Was es heißt, als Schwarzer in einem Raum atmen zu müssen, ohne dass es einem Weißen auffällt Forest Whitaker macht diesen unsichtbaren Druck spürbar.
Und wenn die unverwüstliche Oprah Winfrey als Cecils Ehefrau in den 70er-Jahren das Disco-Outfit anlegt, atmen Lees räudig-schöne Bilder das Aroma privater Alltagsgeschichte.
Die Rollen der US-Präsidenten sind unterhaltsam mit Hollywood-Stars besetzt, mit denen man am wenigsten rechnet: Komiker Robin Williams schickt als Eisenhower die nationale Garde nach Little Rock, um dort den Schulbesuch schwarzer Kinder zu ermöglichen. Die formidable Jane Fonda erweist sich als eine hervorragende Nancy Reagan.
Im Weißen Haus gebe es keine Politik, wird Cecil Gaines zu Beginn einmal angeherrscht. Dafür beendet Daniels seine Geschichtsstunde triumphal im US-Heroismus der Obama-Wahl.