Filmkritiken

DISKRETER CHARME DER HOCHFINANZ

Filme, deren Titel man auf Anhieb nicht versteht, üben mitunter einen besonderen Reiz auf das Vorstellungsvermögen aufgeschlossener Kinogänger aus und wenn es sich bei dem mysteriösen Werk noch dazu um einen Thriller handelt, stachelt das unseren detektivischen Spürsinn erst recht an. Nach langwierigen Nachforschungen wird man mit der Erkenntnis belohnt, dass sich hinter dem Fachbegriff „Arbitrage“ das Ausnutzen von Kursschwankungen an der Börse verbirgt, was dann wohl eher auf einen Wirtschaftskrimi hindeutet, aber zum Glück gibt es hier doch zumindest eine handfeste Leiche.

Wir befinden uns im Börsendschungel, wo wir auf ein Gentleman-Raubtier in Gestalt von Richard Gere treffen. Als Top-Manager Robert Miller lebt er in einer Welt der Hochfinanzen, wo herkömmliche Gesetze außer Kraft getreten sind – er macht sich seine eigenen. Doch nach dem Börsencrash 2008 beginnt sein Imperium rasch auseinanderzufallen. Er hat ihm anvertrautes Geld verspekuliert und führt privat ein Doppelleben, weil er sich eine französische Geliebte leistet (was freilich nicht nur das Vorrecht von Billionären sein dürfte und worüber man sich moralisch beim besten Willen nicht allzu sehr entrüsten kann).

Durch einen Unfall mit Todesfolgen findet Miller sich sodann in höchster Bedrängnis wieder, sogar mehrere Jahre Gefängnis drohen ihm bzw. einem halb unfreiwilligen Komplizen in Gestalt eines farbigen Jungen aus Harlem. Gerade mit dieser Wendung hat das Drehbuch etwas dick aufgetragen, denn das soziale Gefälle wirkt allzu bemüht herbeizitiert. Zudem verfügt die Hauptfigur über eine merkwürdige Ambivalenz. Miller wird nicht zum skrupellosen Bösen hochstilisiert, der um seine Haut zu retten über Leichen gehen würde, sondern tritt sogar als Menschenfreund auf: praktisch in letzter Sekunde spielt er Sherlock Holmes und treibt in kürzester Zeit entlastende Beweise auf, was z.B. ein erfahrener Rechtsanwalt zuvor nicht leisten konnte. Das alles trägt zur Glaubwürdigkeit der Story ebenfalls nicht gerade bei.

Der junge Regisseur Nicholas Jarecki kann sich gar nicht glücklich genug schätzen, für seinen ersten Spielfilm Richard Gere als Hauptdarsteller gewonnen zu haben. Dieser Mann bringt es dank seiner raumgreifenden Präsenz locker fertig, unsere Aufmerksamkeit die ganze Zeit über zu fesseln und wir sehen daher gerne über einige Schwächen des Drehbuchs hinweg. Es ist ja wirklich ein genialer Coup, eine Person, die uns höchst zuwider sein müsste, von jemandem verkörpern zu lassen, der einfach nicht unsympathisch wirken kann. Einzig Björk scheint mühelos hinter Millers Maske zu blicken, wenn sie im Abspann „I see who you are“ singt (doch auch dieser Schein trügt, weil der Song um einige Jahre älter als der Film ist).

Allerdings haben es die anderen Darsteller äußerst schwer an Geres Seite: v.a. Susan Sarandon und Laetitia Casta spielen eher untergeordnete Rollen und erhalten kaum eine Chance zu großen Auftritten. Etwas besser hat es da schon Tim Roth getroffen, der sich als harter und hartnäckiger Polizist durchaus mit Gere messen kann. Noch dazu schafft es dieser Mann, den wir sicher noch alle als Reservoire Dog oder legendären Ozeanpianisten in Erinnerung haben, dank passender Barttracht zum Doppelgänger von Chuck Norris zu werden – und das soll ihm erst mal jemand nachmachen!

Wodurch die positiven Eindrücke dann eben eindeutig überwiegen, der Kinobesuch gewinnbringend investierte Zeit bedeutet und wir 9 von 10 Airbag-Zertifikaten auf dem Gere-Roth-Index verbuchen (über die das Unfallauto im Film offenbar nicht verfügt hat).

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