DIE RACHE DES BAUMARKTES
Von Alexandra Seibel
Tagsüber arbeitet Denzel Washington in einem Baumarkt und sortiert Heimwerkergeräte. Nachts kann er nicht schlafen. Dann setzt er sich in eine Bar und liest Cervantes und Hemingway. Oder er unterhält sich mit einer russischen Prostituierten über Cervantes und Hemingway.
Nach ungefähr einer halben Stunde für einen deklarierten Actionthriller eine relativ lange Zeit beginnt man sich zu fragen, ob Denzel Washington noch mehr zu bieten hat als Schichtarbeit und Literaturanalysen.Hat er.
Der erbauliche Working-Class-Auftakt endet abrupt mit einem Flaschenzieher im Auge. Gerade noch hat Superstar Washington als Robert McCall mit sanfter Stimme Weltliteratur zitiert, schon quetscht er im nächsten Augenblick der halben russischen Mafia das Gehirn aus. Mit unerfreulicher Brutalität, die an zweifelhaften Sadismus grenzt ("In den nächsten dreißig Sekunden werden deine Organe versagen"), schlachtet er seine Widersacher ab. Und damit wir es gleich noch einmal genießen können, gibt es zehn Minuten später ein paar Rückblenden auf das Gemetzel als ob wir es in der Zwischenzeit vergessen hätten.
Antoine Fuqua basiert seinen aufgeblasenen Thriller auf eine TV-Serie der 80er-Jahre: Darin verwandelt sich ein ehemaliger Agent der Regierung in einen privaten Racheengel. Fuqua bedient sich dazu einer barocken Bildsprache, die in ihrer Überstilisierung schwer an Musikvideos aus den Achtzigern erinnert. So lässt er Denzel Washington (mehrfach) mit wichtigtuerischem Slow-Motion-Gestus zum großen Killen antreten, als hätte er gerade eben die Zeitlupe erfunden.
Denzel Washington spielt seinen Rächer aus dem Baumarkt mit heiligem Ernst nur noch die Bibel unter dem Arm fehlt. Doch in dem heruntergerockten Vorort von Boston, wo die Polizei so korrupt ist wie die Mafia, gibt es keine Gnade.
Apropos Baumarkt: Das große Finale endet tatsächlich zwischen den Regalen des Baumarktes und inspiriert McCall zu einfallsreichen Heimwerker-Einlagen. So drillt er seinen überraschten Gegnern die Bohrmaschine in den Schädel oder lässt sie am Stacheldraht von der Decke baumeln.
Fortsetzung folgt bestimmt.