Filmkritiken

Der Vorname: Wenn ein Wort die Stimmung killt

Wer kennt das nicht: Ein dummer Witz kann die Stimmung in einer geselligen Runde schnell kippen lassen. Am schlimmsten ist es, wenn Menschen zusammensitzen, die sich sehr gut kennen, aber doch recht unterschiedliche Weltbilder entwickelt haben. Familie zum Beispiel! Oft reicht ein Wort, das irgendwer in die falsche Kehle bekommt, und schon ist das gemütliche Abendessen ruiniert.

In "Der Vorname" beginnt alles mit so einem dummen Witz, der sich zu einem handfesten Streit aufschaukelt. Das Ehepaar Stephan (Christoph Maria Herbst) und Elisabeth (Caroline Peters) lädt zum gemütlichen Abendessen ein. Die beiden Kinder schlafen außer Haus. Elisabeth kocht. Erwartet werden ihr Bruder Thomas (Florian David Fitz) und seine schwangere Frau Jana (Janina Uhse) sowie René (Justus von Dohnányi), bester Freund von Elisabeth. Mit Ausnahme von Jana, die aufgrund eines Vorsprechens für eine Theaterrolle erst später kommt, kennen sich alle in der Runde schon seit Kindheitstagen.

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Elisabeth ist eine ambitionierte Lehrerin, ihr Mann Stephan ein verstaubter Literaturprofessor, der seine umfassende Bildung gerne zur Schau stellt. Seinem Schwager Thomas demonstriert er diese vermeintliche intellektuelle Überlegenheit ganz besonders gerne. Schließlich hat der nicht einmal Abitur gemacht. Trotzdem verdient er als erfolgreicher Immobilienmakler deutlich mehr als Stephan. Thomas, der immer für einen infantilen Witz zu haben ist, spielt seinem spießigen Schwager dafür gerne Streiche, um ihn aus der Reserve zu locken.

Der gemütliche Abend eskaliert als Thomas verkündet, dass er (und seine Frau Jana) beschlossen haben, ihren ungeborenen Sohn Adolf zu nennen.

 

Satirisch überspitztes Kammerspiel

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"Der Vorname" ist die deutsche Neuverfilmung der gleichnamigen französischen Komödie, die wiederum auf dem Theaterstück "Le Prénom" basiert. Die Idee den Film für Deutschland zu adaptieren, hat durchaus ihren Reiz. Aber anders als beim französischen Film des Jahres 2012, bei dem übrigens die Autoren des Theaterstückes auch Regie führten, nimmt sich Regisseur Sönke Wortmann ("Der bewegte Mann") hier zu wenig Zeit, um die einzelnen Charaktere vorzustellen.

Noch dazu ist der Film ein Kammerspiel, das im Wesentlichen in einem Raum stattfindet. Dialoge und Schauspieler sind daher von ganz entscheidender Bedeutung. Und hier hakt es ein wenig bei der deutschen Variante. Christoph Maria Herbst spielt in typischer satirischer Überhöhung zum gefühlt tausendsten Mal eine Variation seiner Comedy-Performance in "Stromberg". Während der Bildungssnob Pierre im Original zwar hässliche Seiten zeigt, bleibt er dennoch sympathisch. Das kann man von Stephan nicht unbedingt behaupten. Auch das Zusammenspiel mit seinem wichtigsten Antagonisten Thomas hat einen ganz anderen Spin: Während die beiden zentralen Gegenspieler im Original glaubhaft als alte Freunde rüberkommen, scheint es, als ob sich die beiden in der deutschen Variante noch nie leiden konnten. Eine Freundschaft nimmt man den beiden jedenfalls nicht ab.


Zu nüchtern und gekünstelt

 

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Thomas sagt einmal zu Stephan: "Welches Klischee eines Literaturprofessors erfüllst du eigentlich nicht?" Das könnte man auch über den Film im Allgemeinen sagen. In "Der Vorname" kommt Regisseur Wortmann einfach zu direkt und überspitzt zur Sache. Stellenweise funktioniert der Humor zwar sehr gut, man schmunzelt und erkennt sich selbst oder die eigenen Erfahrungen wieder. Aber dann gibt es immer wieder Bruchstellen, wo die klischeehafte Darstellung überdeutlich wird. Dann wünscht man sich mitunter mehr Liebe zur nuancierten Darstellung der Charaktere und zu ausschweifenden Dialogen. Stattdessen setzt das nur 91-minütige Kammerspiel auf verkürzte Pointen und überspitzte Figuren. Stellenweise wirkt das gebotene Schauspiel daher eher wie ein nüchterner Debattierclub oder eine gekünstelte TV-Satire, nicht wie ein emotional aufgeladener Streit zwischen Menschen, die sich sehr gut kennen. Vielleicht hätten nur 15 zusätzliche Minuten dem Film gut getan – um so viel ist auch das französische Original länger.

 

Erwin Schotzger