DEM TOD ÜBER DIE KNOCHIGE SCHULTER GESCHAUT
Von Franco Schedl
Acht Mal hat Regisseurin Andrea Morgenthaler ihr Kameraauge auf den Tod gerichtet und obwohl er ein ebenso unausweichbares wie universales Phänomen ist, kommt es doch sehr auf den geografischen Standort an, in welchem Licht er uns erscheint.
Frau Morgenthaler enthält sich zwar jeglichen Kommentars, doch die Wahl der Bilderfolge gibt ihr natürlich Gelegenheit, zu enthüllen, wie sie den jeweiligen Ruhe in Frieden-Experten einschätzt. Etwa beim Leichenbestatter aus Harlem, der den Toten mittels kosmetischen Tricks zu gutem Aussehen verhilft: sein salbungsvolles Geschwafel wird am Ende der Episode durch die dringlich vorgebrachte Erkundigung nach der Bezahlung für eine erbrachte Dienstleistung wieder auf den Boden der Tatsachen geholt.
Wesentlich lockerer und absolut nicht salbungsvoll erleben wir den Medienwirksamsten von allen Porträtierten. Der deutsche Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke entlockt vielleicht den Toten so manches Geheimnis, in erster Linie bringen die Leichen aber ihn zum Reden. Auf dem Weg in die Gerichtsmedizin von Bukarest scherzt er mit seinen Kolleginnen, die ihm später mit gezückten Pinzetten dabei zur Hand gehen werden, aus einer madenübersähten Leiche die schönsten Exemplare herauszupicken. Im Interview äußert er dann einige bedenkenswerte Ansichten über unsere Haltung zum Thema Tod.
Eine schwedische Kompost-Expertin entwickelt hingegen eine neue Methode der platzsparenden und biologisch einwandfreien Leichenverwertung, indem sie den Satz Aus Erde bist du und zu Erde sollst du wieder werden ganz wörtlich versteht.
Ein nepalesischer Fireman schichtet Scheiterhaufen und überwacht den mehrstündigen Verbrennungsprozess reich wird er mit seiner Beschäftigung zwar nicht, doch er betrachtet es als pietätvollen Totendienst.
Ganz anders im Land der unbegrenzten Möglichkeiten: dort gibt man sich mit einem Häuflein Asche und biologisch abbaubaren Überresten nicht zufrieden, sondern denkt auch nach dem klinischen Tod an Morgen oder sogar Übermorgen, wenn es medizinisch machbar sein wird, gut konservierten Körpern neues Leben einzuhauchen. Ausgerechnet in Phoenix wird an dieser Wiederauferstehungs-Phantasie mit Hochdruck nein: Tiefdruck gearbeitet, da in den Stickstofftanks Temperaturen von minus 195° herrschen.
Einen Leichenkünstler ganz anderer Art treffen wir im Wiener Harald Köck, der den Hauptteil seiner Zeit in der Pathologie verbringt, wo er Augen und Ohren offen (aber die Nase vermutlich geschlossen) hält, um sich Inspirationen für seine Arbeiten zu holen, bei denen er Sezierte portraitiert und abstrahiert. Übrigens hat es Morgenthaler garantiert nicht darauf angelegt, unsere Belastbarkeit zu testen zwar kommt mehrmals kurz ein geöffneter Leichnam direkt ins Bild, doch das entartet nie zu einem voyeuristischen Schwelgen in Innereien.
Mit Tanz, Gesang und guter Laune klingt der letale Reigen aus, indem uns die Regisseurin nach Mexiko mitten ins Fest der Toten versetzt. Einmal jährlich kehren dort die Verstorbenen angeblich zu ihren Familien zurück und werden bei einer Feier auf dem Friedhof bewirtet.
So skurril oder abwegig uns manche Episoden erscheinen mögen - allen lebenden Personen, die darin vorkommen, ist doch eines gemeinsam: der unverkrampfte Umgang mit dem Tod. Daher vergebe ich auch lockere 7,5 Punkte auf meiner 10stelligen Totenfilmskala.